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Keine Zeit für Optimismus

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

IWF senkt globale Konjunkturprognose – Davos wird
anlässlich des Weltwirtschaftsforums zur Festung.


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Washington. "Das kommende Jahr ist voll der Herausforderungen", erklärt Maurice Obstfeld, ökonomischer Berater des Internationalen Währungsfonds (IWF), anlässlich der Präsentation des aktuellen "World Economic Outlook" seiner Organisation. Die globale Wirtschaft werde derzeit von sehr vielen Unsicherheiten dominiert, und das wiederum beflügle die Volatilität. "Es kann gut sein, dass wir eine holprige Fahrt vor uns haben, vor allem in den Schwellenländern", meint Obstfeldt. Er rät den Regierenden, kurzfristig die Belastbarkeit der Volkswirtschaften zu kräftigen - sich also gegen absehbare Widrigkeiten abzusichern -, aber auch gleichzeitig darüber nachzudenken, wie sie langfristig Wachstum generieren können.

Schon bei den vergangenen Prognosen musste der IWF seine Erwartungen nach unten schrauben. Auch diesmal wieder: Der Fonds korrigierte in seinem aktuellen Ausblick das Wachstum in sämtlichen Weltregionen nach unten. "Für 2016 und 2017 revidieren wir das globale Wachstum um 0,2 Prozentpunkte nach unten." Die wichtigste Botschaft dieses Reports lautet daher, "dass die Wachstumserwartungen stetig am Fallen sind", sagt Obstfeldt.

Die US-Wirtschaft werde sich zwar im Prognosezeitraum weiterhin robust entwickeln, beim Fonds sei man aber nicht mehr so optimistisch, ob die US-Konjunktur tatsächlich auch nachhaltig an Fahrt gewinnt. "Die USA müssen die Herausforderung des starken Dollars meistern, denn dadurch schrumpft der Produktionssektor - wenngleich bis jetzt nur geringfügig", erklärt Obstfeldt.

Die Eurozone und Japan sollten nach Meinung des Ökonomen weiterhin ihre expansive Geldpolitik beibehalten oder vielleicht sogar ausweiten. Dort, wo es fiskalischen Spielraum gibt, sollte über öffentliche Ausgaben im Infrastrukturbereich nachgedacht werden. "Es ist schwer zu einzusehen, warum in Regionen, in denen diese bitter benötigt wird, nicht mehr in Infrastruktur investiert wird - vor allem angesichts der derzeit sehr niedrigen Zinsen." Obstfeldt räumt ein, dass einige Länder weiter unter dem Erbe der Schuldenkrise leiden. Insgesamt hätte sich die Situation in den Industrienationen zwar ein wenig verbessert, "aber nicht so stark, wie wir vor ein paar Monaten noch gehofft hatten".

Im Hinblick auf die Schwellenländer dämpft der IWF die Erwartungen noch stärker, auch wenn die Situation der Länder höchst unterschiedlich ist. "Brasilien wird von politischen Problemen beherrscht", so Obstfeldt. Andere Länder seien dagegen trotz schlechterer Konjunktur stabil und weit entfernt von einem Kollaps. Was aber viele der Länder gemeinsam haben: Während Chinas Boomjahren und der gestiegenen Nachfrage haben die Schwellenländer in ihren Rohstoff-Sektor investiert. "Jetzt, wo dieser Zyklus zu Ende geht, gibt es die Notwendigkeit, diese Volkswirtschaften zu restrukturieren, um die Schulden zu bezahlen. Das wird eine Herausforderung sein, die sich nicht über Nacht lösen lassen wird."

Niedrigstes Wachstum seit 1990

China hat schon lange angekündigt, seine Volkswirtschaft auf nachhaltigere Beine stellen zu wollen, auch wenn dadurch keine zweistelligen Wachstumsraten mehr erreicht werden. Trotzdem scheinen die Konjunkturnachrichten für manche als Schock zu kommen, weshalb auch die Börsen eine ziemliche Achterbahn seit Jahresanfang hingelegt hatten. Am Dienstag folgte die Bestätigung aller Befürchtungen: Das Statistikamt in Peking berichtete, dass das Wachstum in China 2015 nur 6,9 Prozent betrug. Das ist der niedrigste Wert seit 25 Jahren. Im vierten Quartal habe die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt sogar nur um 6,8 Prozent zugelegt.

Die Entwicklung im vergangenen Jahr lag damit am unteren Ende der Vorgabe der Regierung in Peking von "rund 7 Prozent". 2014 war die Wirtschaft noch um 7,3 Prozent gewachsen.

Trotz des geringeren Wachstums und der Turbulenzen an Chinas Aktienmärkten hält Chinas Staats- und Parteichef die langfristigen Grundlagen der chinesischen Wirtschaft für tragfähig. In der "neuen Normalität" mäßige sich das Wachstum, so dass die Wirtschaft strukturell angepasst und die Triebkräfte verlagert werden müssten, sagte Xi Jinping vor der Bekanntgabe der Zahlen. Die Wirtschaft müsse sich stärker auf heimischen Konsum, den Dienstleistungssektor und Innovation stützen, so der Präsident. Kurzfristig müsse das Wachstum "stabilisiert" werden.

Jüngste Daten zur Industrieproduktion belegen die aktuelle Konjunkturschwäche. Die Rohstahlproduktion in der Volksrepublik sank 2015 erstmals seit 1981, die Stromproduktion erstmals seit 1968.

Angesichts der wachsenden Schuldenlast, einer Immobilienblase und Überkapazitäten erwarten Experten in diesem Jahr einen weiteren Rückgang des Wachstums. Viele ziehen auch die offiziellen Zahlen in Zweifel und gehen von lediglich 4 bis 6 Prozent Wachstum aus. China hat in den vergangenen Jahren rund ein Drittel zur globalen Konjunktur beigetragen. "Insgesamt verhält sich das Wachstum in China so, wie geplant", schreibt der Internationale Währungsfonds. Aber die Importe und Exporte hätten sich stärker verlangsamt als gedacht und würden das geringer werdende Investment sowie eine abnehmende Produktion widerspiegeln.

China auch Thema in Davos

Diese Entwicklungen, zusammen mit den den Sorgen des Marktes über die Zukunft Chinas haben Auswirkungen auf andere Volkswirtschaften, sei es über Handelswege, Rohstoffpreise oder einem geringer werdenden Vertrauen und einer erhöhten Volatilität in den Finanzmärkten, heißt es in dem IWF-Bericht.

China wird auch die globale Wirtschaftselite beschäftigen, die sich ab heute im schweizerischen Davos zum 46. Weltwirtschaftsforum einfindet. Bei dem Treffen von rund 2500 Spitzenpolitikern und Topmanagern sowie Wissenschaftern aus mehr als 100 Ländern steht die globale Problempalette auf der Agenda. Diese reicht vom Syrienkrieg, der Flüchtlingskrise und Terrorgefahr bis hin zum Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, dem Ukraine-Konflikt sowie dem Klimawandel. Gründer Klaus Schwab wünscht sich, dass auch über den absehbaren massenweisen Einsatz von Robotern und die damit verbundene Ablösung menschlicher Arbeitskraft in erheblichen Größenordnungen gesprochen wird.