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Keine Zeit zum Schulterklopfen

Von Claudia Peintner

Wirtschaft
Beifall erwärmt das Herz und öffnet den zugeknöpften Geist. Foto:corbis
© © © Chat Roberts/Corbis

Wenn Mitarbeiter und Chefs nicht sprechen, bleibt auch kein Platz für Lob. | Leiharbeitsfirmen und prekäre Arbeitsverhältnisse machen Lob nicht mehr erforderlich. | "Das Verhalten positiv hervorheben und nicht die Person."


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Wien. Super, prima, mach weiter so! Lob erwärmt das Herz, löst innerlich Freudensprünge und Konfettiregen bei Berufstätigen aus. Die Gefahr, dass Chefs zu inflationär in die Lobposaune blasen, besteht derzeit jedoch nicht.

"In den Unternehmen wütet die ,deutsche Krankheit", schlagen Motivationspsychologen Alarm und verweisen auf das mitteleuropäische Kulturverständnis: "Das Gute setzen wir voraus. Über das Schlechte reden wir gleich." Mitarbeitern bleibt nichts anderes übrig, als sich gegenseitig aufzumuntern - nach dem Motto: Die Abwesenheit von Kritik ist Motivation genug.

Was läuft falsch in den Unternehmen? "Chefs sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt, weil sie unter dem Druck stehen, immer bessere Geschäftszahlen abzuliefern", sagt der Motivationspsychologe Jörg Zeyringer. Die Notwendigkeit, Menschen zu loben, nehme ab, denn Mitarbeiter seien austauschbar wie Ware geworden. Den Beleg dafür liefert die Praxis: mit dem Boom bei Leiharbeitsfirmen und der Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen.

Ehrlich statt floskelhaft

Die Sichtweise der Führungskräfte ist naturgemäß eine andere: "Es findet ohnehin einmal im Jahr ein Mitarbeitergespräch statt", sagen die einen. "Ich selbst bekomme auch kein Lob, deshalb kann ich keines weitergeben", rechtfertigen sich die anderen. Und jene, die behaupten, sehr wohl Rosen zu streuen, denen kauft man es nicht ab. Zu floskelhaft und antrainiert kommt es rüber. Gängig ist auch, eine Leistung einleitend zu loben, um dann ein "aber" nachzuschießen.

"Lob soll von Herzen kommen, authentisch sein und niemals Kritik beinhalten", lehrt der Motivationsexperte Hugo Kehr. Das positive Feedback müsse sich auf das Verhalten beziehen und nicht auf die Person. Und es sollte am besten gleich nach einem Ereignis erfolgen, gerne auch zwischen Tür und Angel, im Vieraugengespräch.

Doch genau hier orten Psychologen das Problem: Um Mitarbeiter zu loben, müssen sie beobachtet werden. Dafür fehle im Tagesgeschäft heute ebenso die Zeit, wie für eine Plauderei zwischen Chef und Personal, so Zeyringer. Ein enges Zeitkorsett, das mancher Führungskraft nicht ungelegen kommt? Immerhin wollen Menschen häufig ihre Persönlichkeit nicht darstellen, ein Machtverhältnis bewahren, erklärt Führungskräftetrainer Volker Kampehl. Ein weiterer Grund, warum Lob schwer über die Lippen kommt, könnte seiner Ansicht nach in der Kindheit liegen. Im Elternhaus und in der Schule wird auf den Fehlern herumgeritten. Das zieht sich in die Unternehmen hinein.

So schwierig Lob freilich ist, so schlüssig klingt die psychologische Erklärung dafür: "Arbeit ist nicht bloß Geld verdienen, sondern Teil unserer Identität. Über die Arbeit, die wir leisten, klären wir einen Teil unseres Lebenssinns."

Chefs loben kaum noch, weil sich der Tagesablauf um Rendite dreht - der Mensch zählt weniger, er ist austauschbar