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Keiner braucht noch mehr Spiele

Von Christian Mayr

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Noch bevor das olympische Feuer in Baku entfacht wurde, regt sich breiter Protest gegen die nächste Sportgroßveranstaltung, die in einem autokratisch regierten Land abgehalten wird. Wir kennen das von vergangenen (Olympia in Peking und Sotschi) sowie künftigen (Fußball-WM in Katar) weltumspannenden Sportevents. Die Premiere der Europaspiele in Aserbaidschan ist aber nicht nur aus diesen Gründen zu hinterfragen, denn schon grundsätzlich ist der sportliche Wert dieses Konstrukts höchst zweifelhaft. Das zeigt schon das mangelnde Interesse an Ausrichtern - Baku war für heuer einziger Kandidat, die Niederlande haben den Zuschlag für 2019 soeben wieder zurückgelegt. Erst recht darf sich der gemeine Sportfreund wundern, wenn er sich die Liste der 20Sportarten ansieht, in denen um Gold, Silber und Bronze gekämpft wird. Darauf findet sich Unbekanntes (wie die Kampfsportart Sambo), Kurioses (Basketball 3gegen 3) und sportlich Zweifelhaftes (Strandfußball, Aerobic). Man braucht kein Prophet zu sein, um zu sagen, dass nicht einmal ein Lüftchen von Olympia durch Baku wehen wird - dafür sorgen allein schon die nicht vorhandenen Stars. Das immer wieder genannte deutsche Tischtennis-Ass Timo Boll in allen Ehren, aber seine besten Jahre hat der Zelluloid-Artist hinter sich. Und die Österreicher? Die bekanntesten Athleten sind die frühere Tischtennis-Europameisterin Liu Jia sowie die Judoka Ludwig Paischer und Sabrina Filzmoser. Letztere kommen wohl nur deshalb, weil das Ganze auch als Judo-EM gilt. Sämtliche Leichtathletik-, Schwimm- und Radstars machen hingegen einen großen Bogen um Baku; nicht aus politischen Gründen, sondern weil sehr bald im Sommer wirklich Wichtiges ansteht: die Leichtathletik-WM in Peking, die Schwimm-WM in Kasan und natürlich die Tour de France. Und somit ist das ganze Dilemma der Europaspiele schon beschrieben: Im dichten Sportkalender gibt es de facto keinen einzig freien Sommertermin mehr, wo Sportgrößen aus allen Disziplinen Zeit und Lust hätten.