Drogenkoordinator Michael Dressel hält an der Eröffnung des Suchgiftzentrums in der Nußdorfer Straße trotz Protesten fest.
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Wien. Schon seit Wochen sorgt das geplante Suchthilfezentrum mit Spritzentausch im 9. Bezirk für Wirbel. Anrainer machen gegen die Einrichtung in der Nußdorfer Straße mobil. Es sei über den Kopf der Bürger hinweg entscheiden worden, lautet die Kritik. Die Stadt Wien hält an der Eröffnung am 13. November fest. Der zuständige Drogenkoordinator Michael Dressel erklärt der "Wiener Zeitung" warum.
"Wiener Zeitung": Herr Dressel, die Aufregung um das neue Suchthilfezentrum ist groß. Was ist da schiefgegangen?
Michael Dressel: Es gibt seit mehr als 30 Jahren Sucht- und Drogenberatungsstellen und es hat keine einzige Einrichtung gegeben, wo es keinen Bürgeraufstand gegeben hat. Allerdings macht uns diesmal die Aggressivität Sorgen, die hier von Anfang an gegenüber dem Projekt an den Tag gelegt wurde.
Die Hauptkritik lautet, dass es keine oder nur unzureichende Informationen gegeben hat.
Das Paradoxe an der ganzen Sache ist, dass diese Kritik genau dann aufgetaucht ist, als wir informiert haben. Zuerst haben wir, wie das auch vorgesehen ist, die Bezirksvorstehung informiert. Es wurden im Einverständnis mit den politisch gewählten Vertretern des Bezirks dann die weiteren Kommunikationsschritte festgelegt und die Bezirksräte und Organisationen im Bezirk von der Sache in Kenntnis gesetzt.
Aber in die Umfeldanalyse dürften die Anrainer nicht miteinbezogen worden sein.
Umfeldanalyse heißt auch nicht Bürgerbeteiligung, sondern den Standort nach bestimmten Kriterien auszusuchen. Plätze, wo sich schnell eine Drogenszene bilden kann - in der Nähe einer großen Tiefgarage oder uneinsichtigen Plätzen -, sind zum Beispiel ungeeignet. Außerdem beschweren sich die Leute eigentlich nicht darüber, dass sie zu wenig informiert wurden, sondern darüber, dass sie nicht gefragt wurden. Bei bestimmten Projekten ist das aber einfach nicht möglich - denn kein Anrainer will ein Suchthilfezentrum vor seiner Haustüre haben, keiner will Suchtkranke in seiner Nähe haben. Dafür gibt es eben politisch gewählte Verantwortliche, die auch unpopuläre Maßnahmen umsetzen müssen, wenn sie dem Allgemeinwohl dienen.
Aber wenn so viele Menschen der Meinung sind, dass der gewählte Ort ungeeignet ist?
Es sind eben nicht viele Menschen, sondern nur wenige. Zwei davon können mobilisieren und sind sehr gut organisiert: Der eine hat eine Werbeagentur und der andere ist politisch sehr gut in der Opposition vernetzt.
Die Anrainer meinen aber, dass rund um das Zentrum sehr viele Kindergärten und Schulen sind. Ist das nicht Grund genug, den Standort in Frage zu stellen?
Es gibt de facto keinen Bereich in der Stadt, wo es keine Kinder- und Jugendeinrichtungen gibt. Es wird hier so getan, als würde es im Sobieskiviertel eine besonders hohe Konzentration an Schulen und Kindergärten geben. Das ist aber nicht der Fall. Der Ganslwirt im 6. Bezirk war auch um’s Eck vom Amerling-Gymnasium und es hat nie Probleme gegeben.
Aber die Kinder kommen leichter in Kontakt mit Drogen.
Das stimmt einfach nicht. In der Nähe von solchen Einrichtungen werden nicht mehr Drogen konsumiert als woanders. Sie werden wenn dann dort konsumiert, wo sie gekauft werden.
Das heißt, es liegen auch nicht mehr Spritzen in den umliegenden Parks eines Suchthilfezentrums?
Genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn Spritzentausch angeboten wird, dann bringen die ja ihre alten Spritzen mit, um sie gegen neue zu tauschen. Die Rücklaufquote beträgt hier schon seit Jahren 98 Prozent. Abgesehen sind die meisten Suchtgiftkranken mit Wohnungen versorgt und konsumieren die Drogen dort. Die Zahl jener, die das im öffentlichen Raum tun, ist dank vieler Resozialisierungsmaßnahmen der Stadt in den vergangenen Jahren extrem zurückgegangen. Wir leben trotzdem in einer Millionenstadt und da wird man nie ganz verhindern können, dass Drogen gekauft und konsumiert werden. Aber man kann das kleinhalten - und da stehen wir im internationalen Vergleich sehr gut da.
Aber unterm Strich heißt das, es wurden von Ihrer Seite keine Fehler gemacht?
Man kann immer etwas besser machen. Vielleicht hätten wir mehr Zeit verstreichen lassen können, um bewusst mehr Zeit für die Diskussion geben zu können. Dann hätten wir uns vielleicht den Vorwurf des Drüberfahrens erspart. Da wir aber wie gesagt bei solchen Themen nicht die Bevölkerung befragen können, sondern das den politisch Verantwortlichen überlassen müssen, wäre das auch nicht ehrlich gegenüber den Anrainern gewesen.
Das heißt, Sie bleiben beim Eröffnungstermin am 13. November?
Es hat sich nicht geändert. Wir sehen keinen Grund, klein beizugeben. Es wird am 11. November den Tag der offenen Türe geben und für den 13. ist die Eröffnung vorgesehen. Es gibt zwar Klagsdrohungen, aber auch denen sehen wir gelassen entgegen, denn es gibt einen gültigen Mietvertrag und es sind vonseiten der Suchthilfe alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten worden.