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Keltischer Kater

Von Adrian Lobe aus Irland

Wirtschaft
Geplatzte Immobilienträume. Noch immer sind viele Bauprojekte in Irland unvollendet - der Inselstaat im Nordwesten Europas findet nicht aus der Krise.
© Xinhua/Corbis

Die Folgen der Wirtschaftskrise in Irland sind auch heute noch überall spürbar.


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Dublin. Die Sonne spiegelt sich in den Glasfassaden der Bürogebäude, Baukräne verladen Stahlgerüste, Anzugträger huschen mit einem Coffee to go zur Arbeit. In Docklands brummt die Wirtschaft. Taxifahrer Mark Uzell kennt die Gegend wie seine Westentasche. Der Mann mit dem Hafenarbeitertattoo auf dem Unterarm hat am Hanover Quay eine zweigeschossige Wohnung gemietet. "Vor sechs Jahren wurde das alles neu gemacht", erzählt Mark. Mit staatlichen Geldern wurde das einstige Arbeiterviertel am Hafen zu einem modernen Geschäftsviertel ausstaffiert.

Die Lage am Canal-Ufer hat ihren Preis. "Die Mieten steigen stetig an", sagt Mark. Für seine zweigeschoßige Wohnung zahlt er zwischen 1200 und 1400 Euro im Monat Miete. Dafür muss der Taxifahrer sieben Tage die Woche arbeiten. "Man bekommt nichts geschenkt", sagt der Familienvater und lehnt sich über das Eingangstor seiner acht Quadratmeter großen Terrasse. "Ein Restaurant gegenüber hat nach nur zwei Tagen wieder dichtgemacht", sagt Mark und schüttelt den Kopf. Jetzt steht das Gebäude leer. Ein Nachfolger ist einstweilen nicht in Sicht.

Ein paar Häuserblöcke weiter offenbart sich die Problematik in ihrer ganzen Drastik: zerborstene Scheiben, heruntergekommene Fassaden, Bauruinen. An dem maroden Mauerwerk hängen Schilder mit der Aufschrift "to let", zu vermieten. Die Immobilienkrise ist noch nicht überwunden.

Häusermarkt: SiebenJahre Rezession

Der Häusermarkt befindet sich im siebten Jahr in Folge in der Rezession. Das Platzen der Immobilienblase stürzte Irland 2008 in eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise. Der Staat musste notleidende Banken mit 60 Milliarden Euro retten - und geriet dabei selbst in arge Finanznöte. Irland musste ein Rettungspaket von EU und IMF mit harten Sparauflagen akzeptieren. Premierminister Enda Kenny verordnete dem Land eine radikale Rosskur. Ab Juli wird die Regierung eine neue Grundbesitzsteuer einführen - ein äußerst umstrittenes Projekt. Über 1,5 Millionen Eigentümer mussten sich beim Fiskus melden. Die Steuer soll rund 250 Millionen Euro in den Staatssäckel spülen. Finanzminister Eamon Gilmore benötigt jeden Cent. Die Staatsschulden sind auf über 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angeschwollen.

Ende des Jahres laufen die Hilfskredite der internationalen Gläubiger aus, dann muss sich das Land wieder selbst auf den Kapitalmärkten refinanzieren. Seit 2011 wächst die Wirtschaft wieder, wenn auch in bescheidenem Maße. Die Start-ups, die in der New Economy wie Pilze aus dem Boden schossen, erholen sich langsam.

Bis Ende Juni hat Irland noch die Ratspräsidentschaft der EU inne. Die eigentliche Agenda - Stabilität und Wachstum - steht aber längst nicht mehr im Mittelpunkt. Im Zuge des G8-Gipfels gilt die Aufmerksamkeit den Offshore-Geschäften. Irland spielt dabei eine zwielichtige Rolle.

Hinter georgianischen Backsteinhäusern thront das Google Headquarters in der Barrow Street, ein imposanter Glaskomplex auf schwarzen Pfeilern. Von hier aus lenkt der Konzern sein Europa- und Asiengeschäft. Auf der Homepage teilt der Konzern mit, man habe Dublin als Standort gewählt, weil es die "richtige Kombination aus Infrastruktur, zu entwickelndem Land und verfügbaren Arbeitskräften für das Datenzentrum hat." Die wahren Gründe liegen jedoch woanders. Google zahlt in Irland kaum Steuern. Im Zeitraum zwischen 2006 und 2011 wies der Internetgigant in Großbritannien nach einem Bericht der "Irish Times" einen Umsatz von 18 Milliarden britischen Pfund aus, führte aber nur 12 Millionen Pfund an den Fiskus ab. Das entspräche einem Steuersatz von gerade einmal 0,07 Prozent. Mittels ausgefeilter Firmen- und Finanzkonstruktionen wie dem "Double Irish" soll der Großkonzern seine Gewinne an nationalen Finanzämtern vorbeischleusen und nach Irland kanalisieren. Premierminister Enda Kenny betonte zwar, das Land sei "keine Steueroase". Doch mit 12,5 Prozent hat Irland nach wie vor den niedrigsten Unternehmenssteuersatz aller OECD-Staaten. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mahnte das Land, seine Steuerbasis zu verbreitern.

Die irische Fiskalpolitik ist ambivalent: Auf der einen Seite nutzen multinationale Konzerne wie Apple oder Google Steuerschlupflöcher. Auf der anderen Seite schaffen die multinationalen Unternehmen aber auch Arbeitsplätze. Irland ist in hohem Maße von ausländischen Kapitalzuflüssen abhängig. Die grüne Insel hat kaum Produktionskapazitäten, das Gros des Landes ist agrarisch geprägt, die Landwirtschaft wird mit EU-Geldern üppig subventioniert.

Die EU-Subventionen haben es überhaupt es möglich gemacht, dass Irland vom Armenhaus Europas zum "keltischen Tiger" aufstieg. Gleichwohl: Die Krise macht auch vor der Provinz nicht Halt. Die Gemeinden haben ihre Budgets zusammengestrichen, landesweit liegt die Arbeitslosenquote bei 14 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit sogar bei 35 Prozent. Im Mai dieses Jahres waren in Irland 426 900 Menschen arbeitslos gemeldet. Allein im Bausektor gibt es 100 000 Arbeitslose.

Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, hat die Regierung jetzt ein 6,4 Milliarden Euro teures Investitionsprogramm auf den Weg gebracht. Das Geld soll in Schulen, Krankenhäuser und Straßen gesteckt werden. Der "Ireland Strategic Investment Fund" speist sich aus Sparreserven eines Pensionsfonds, sozusagen der letzte Groschen. Als eine "Alles-oder-nichts-Wette" bezeichnete die Tageszeitung "Irish Independent" die Maßnahme. Offen ist, ob die Rechnung aufgeht. Ein altes irisches Sprichwort sagt: "If you do not sow in the spring you will not reap in the autumn." Wenn du nicht im Frühjahr säst, wirst du im Herbst nicht ernten.