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Kern-Fragen für die ÖBB-Zukunft

Von Franz Steinbauer

Wirtschaft

Experten fordern Taktfahrplan und Redimensionierung von Großprojekten. | Kritik von ÖVP an Dreiervorstand. | Wien. Auf den am Dienstag neu bestellten Bahn-Chef Christian Kern warten viele Baustellen: Am vordringlichsten ist Experten zufolge, dass die ÖBB einen Taktfahrplan wie in der Schweiz umsetzen - und zwar nicht nur für den Fernverkehr, sondern für das gesamte Streckennetz mitsamt Busverbindungen. Dadurch sowie durch die verbesserte Pünktlichkeit von Zügen könnten die ÖBB wieder viele verlorene Fahrgäste zurückgewinnen.


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Man benötige Zugverbindungen bis in die späten Abendstunden hinein, betont VCÖ-Experte Martin Blum im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Wenn etwa von Krems nach Wien um 21 Uhr der letzte Zug geht, werde man die Menschen nie dazu bringen, dass sie mit der Bahn in die Oper nach Wien fahren. "Wir müssen in die Lage kommen, dass man gar kein Auto mehr braucht."

Schweiz als Vorbild

Das Festlegen eines Taktfahrplans für ganz Österreich sei am wichtigsten, stößt Verkehrsexperte und Bahnaktivist Peter Haibach in dasselbe Horn. Allerdings gehe das nicht innerhalb kurzer Zeit. "In der Schweiz hat man 15 Jahre daran gearbeitet." Ferner müsse der neue ÖBB-Chef "stark gegenüber der Politik auftreten." Im Idealfall sollten die Ziele bei der Bahn gleich für mehrere Legislaturperioden festgelegt werden, um einen Zickzack-Kurs zu vermeiden. Anstatt Großprojekte zu forcieren, hätte ein "selektiver Ausbau" von Engstellen für eine Beschleunigung aller Züge weit mehr Effekt, so Probahn-Sprecher Haibach.

Verkehrsökonom Sebastian Kummer von der Wirtschaftsuni Wien hält vor allem den Bau der Koralmbahn (KAB) und des Brennerbasistunnels für wenig sinnvoll. Wenn man unbedingt "aus politischen Gründen" den Koralmtunnel umsetzen wolle, so wäre aus Kostengründen ein eingleisiger Tunnel "mit einer Fahrröhre und einer Rettungsröhre" den jetzigen Plänen vorzuziehen, so Kummer zur "Wiener Zeitung".

Seiser ebenfalls bestellt

Als eines seiner Ziele nennt Kern, der sein Amt am 7. Juni antreten wird: Die ÖBB wieder aus der tagespolitischen Diskussion zu bringen. Außerdem sollen die Österreicher wieder auf ihre Bahn stolz sein, betont der neu gekürte Bahn-Boss.

Kern legt sein Vorstandsmandat beim Verbund mit Wirkung vom 6. Juni zurück. Sein Vertrag bei dem Energieunternehmen wäre noch bis Ende 2011 gelaufen. Der 44-jährige Wiener galt als Wunschkandidat der SPÖ.

Auch bei der zweiten Personalbesetzung lief es für die Sozialdemokraten nach Plan: Der bisherige ÖBB-Werkstätten-Boss Franz Seiser (ebenfalls SPÖ-nahe) wurde als Nachfolger von Noch-ÖBB-Holding-Vorstand Gustav Poschalko designiert, der jedoch in Aufsichtsratsfunktionen in der Bahn verbleibt. ÖBB-Finanzvorstand Josef Halbmayr (ÖVP-nahe) ist der Dritte im Bunde: Er bleibt im Amt, sein Vertrag läuft bis 2012.

Scharfe Kritik kam insbesondere von Koalitionspartner ÖVP. Die Bestellung von Seiser und Kern beweist für ÖVP-Verkehrssprecher Ferdinand Maier, dass die SPÖ "wortbrüchig" geworden sei. Maier zufolge wäre nicht ein Dreiervorstand, sondern ein Zweiervorstand vereinbart gewesen.

Zur PersonChristian Kern (44) wird ab Mitte des Jahres den ÖBB-Konzern lenken, bis 7. Juni soll Noch--Chef Peter Klugar die Bahn-Agenden übergeben.

Kern begann seine Karriere 1991 als Assistent des SPÖ-Beamtenstaatssekretärs und späteren SPÖ-Klubobmanns Peter Kostelka. 1994 stieg er zu dessen Sprecher auf. Zuvor war er Journalist gewesen. 1997 wechselte der Wiener dann zum Verbund, wo er zuerst als Assistent des Vorstands tätig war und ab 1999 als Marketingleiter. Ein Jahr darauf wurde er Chef der Stromvertriebstochter Verbund Austrian Power Vertriebs GmbH, 2002 dann Mitglied des Vorstands der Stromhandelssparte Austrian Power Trading. Am 11. Mai 2007 wurde er zum Vorstandsmitglied des Mutterkonzerns bestellt, wo er das internationale Geschäft bündelt.