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Kern, Kurz & Keynes

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Wann, wenn nicht in wirtschaftlich guten Zeiten wie jetzt, soll der Staat massiv seine horrenden Schulden abbauen?


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Der Bundeskanzler wird jetzt, am Höhepunkt des Wahlkampfes, nicht müde, auf die sehr brauchbaren Wachstumsraten der österreichischen Wirtschaft hinzuweisen. Mit geschätzten 2,8 Prozent für 2017 liegt das Land im EU-Vergleich ja tatsächlich recht gut. Ob daran in erster Linie das segensreiche Wirken der Regierung, die Mühewaltung von deren Vorgängern oder vielleicht doch vor allem die gute Lage der Weltwirtschaft ursächlich ist, darüber lässt sich trefflich streiten; es ist wohl von allem ein bisschen.

Umso erstaunlicher und vor allem bedauerlicher ist, dass keine der wahlwerbenden Parteien deshalb fordert, ab sofort mit einem zügigen und massiven Abbau der Staatsschulden zu beginnen. Die haben sich nämlich seit dem Jahr 2000 von rund 150 Milliarden auf knapp 300 Milliarden Euro verdoppelt; angeblich ja vor allem, um die Folgen der Weltwirtschaftskrise zu bekämpfen.

Folgen wir - wie praktisch alle Parteien, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - der Lehre des Ökonomen John Maynard Keynes, wonach der Staat in Krisenzeiten Schulden aufnehmen soll, um die Wirtschaft zu stärken, und im Gegenzug gute Zeiten nützen muss, um diese Schulden wieder zurückzuzahlen, so wäre nun ganz eindeutig der richtige Zeitpunkt, die Schulden wieder in Richtung des Pegelstandes von 2000 zu senken. Interessanterweise fordert keine Partei das auch nur annähernd überzeugend. Auch die von der ÖVP vernünftigerweise geforderte Schuldenbremse kann bestenfalls pro futuro dämpfend wirken; zum nachhaltigen Schuldenabbau reicht das aber nicht.

Ein wirklich schlüssiges Konzept darüber, wie die Schulden der Republik relativ flott signifikant abgebaut werden sollen, also Keynes folgend in der Größenordnung jener dutzenden Milliarden, die in Zeiten der Krise auf Pump ausgegeben worden sind, hat niemand vorgelegt.

Viel deutlicher lässt sich eigentlich nicht beweisen, dass Keynes’ wirtschaftspolitisches Konzept des "Deficit Spending" zwar theoretisch möglich ist, in der Praxis eines demokratischen Staates aber immer in eine Überschuldung des Staates bis hin zur Pleite führen muss. Und zwar aus einem einfachen Grund: Politiker, egal welcher Couleur, haben keinerlei Motivation, in guten Zeiten den von Keynes vorgeschriebenen massiven Schuldenabbau zu beginnen. Sie wissen, dass das natürlich zu weniger Wachstum, weniger Jobs und damit weniger Wählerstimmen führt. Wer "Deficit Spending" auch in guten Zeiten ernst nimmt, wird im Normalfall dafür abgewählt.

Keynes selbst dürfte sich dessen übrigens durchaus bewusst gewesen sein. Seine Rezepte, schrieb er im Vorwort zur 6. Auflage seines Standardwerkes "A General Theory", seien in einer Diktatur viel leichter zu realisieren als in einer Demokratie. Eben, weil in einer Demokratie der schmerzhafte und daher unpopuläre Sparauftrag für gute Zeiten unrealisierbar ist. Da hatte Keynes nun wirklich recht. Regierungen, die unter Berufung auf seine berühmte Theorie immer nur neue Schulden aufnehmen, ohne diese bei gutem Wind wieder ausreichend stark zurückzuführen, betreiben letztendlich eine Umverteilung zwischen den Generationen - zugunsten der lebenden, zulasten der noch nicht geborenen. Deren Pech ist, dass sie naturgemäß nicht wählen können.