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Kern ruft zur Aufholjagd

Von Brigitte Pechar

Politik

Die SPÖ startet am Donnerstag beim Wahlkampfauftakt in Graz in die heiße Phase.


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Wien/Graz. Die Steiermark ist bei dieser Nationalratswahl ein besonders heiß umkämpftes Pflaster. Deshalb absolvierte die SPÖ ihren bundesweiten Wahlauftakt am Donnerstagabend in der Grazer Stadthalle. "Damit Sie bekommen, was Ihnen zusteht." Mit diesem Plakat bewarb die SPÖ den Wahlkampfauftakt.

Die SPÖ braucht dringend ein Erfolgserlebnis. Der bisherige Wahlkampf ist eher mit Stolpersteinen gepflastert - einige Werber konnten erst gar nicht gewonnen werden, von andern musste sich die SPÖ wiederum trennen. In der Koordination und Kommunikation zwischen der Löwelstraße 18, dem Sitz der Parteizentrale, und dem Kanzlerbüro gibt es Luft nach oben.

Aber jetzt, mit dem Wahlkampfauftakt - mitten in dem bereits auf Hochtouren laufenden Wahlwettbewerb - soll bei den Funktionären neues Feuer entfacht werden. Es geht um alles. Schließlich hat der SPÖ-Vorsitzende bereits angekündigt, dass die SPÖ als zweitplatzierte Partei in Opposition gehen werde. "Wenn wir Erster sind, dann werde ich Kanzler bleiben, wenn wir das nicht werden", so Kern, dann werde er die SPÖ in die Opposition führen und Österreich eine schwarzblaue Regierung bekommen, sagte er im ORF-"Sommergespräch" am vergangenen Montag.

Nach einem Sieg schaut es aber derzeit nicht aus. Außenminister Sebastian Kurz liegt mit seiner neuen ÖVP bei 33 Prozent in den Umfragen, SPÖ und FPÖ liegen in etwa gleichauf bei ungefähr 24 oder 23 Prozent (alles +/-) - der Rest der Mitbewerber ist weit abgeschlagen im einstelligen Bereich.

Oppositionsansage zu früh

Politikbeobachter meinen nun, dass der Kanzler sein Pulver fast schon zu früh verschossen haben könnte. Denn die Oppositionsansage könnte zu einem Selbstläufer werden, wenn sich die Umfragewerte nicht bessern. Ob die Warnung vor Schwarz-Blau noch einmal das Ruder für die SPÖ herumreißen kann, bleibt abzuwarten.

Schließlich hat Kern selbst begonnen, die Tür zu den Blauen etwas zu öffnen. In einer ersten Wahlkonfrontation zwischen Kern und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache am Mittwoch im Radio-Kulturhaus in Wien schenkten sich die beiden nichts - im Gegensatz zu einem Streitgespräch der beiden vor zehn Monaten. Damals konnte die Debatte noch als "amikal" bewertet werden, jetzt - im Wahlkampf - war von einem "Bier danach" keine Rede mehr.

Gestritten wurde vor allem über Maßnahmen, die Geld kosten - wobei der Kanzler seinem Kontrahenten vorwarf, dass dieser Milliardenversprechen leiste, aber nicht sagen könne, bei wem er diese Milliardenbeträge einsparen wolle. Der ebenfalls eingeladene ÖVP-Chef blieb der Debatte mit dem Verweis auf ein Außenministertreffen in Estland fern.

Dass Christian Kern im Mai 2016 das Bundeskanzleramt - in einem unfreundlichen Akt - von Werner Faymann übernehmen konnte, hat er den Parteichefs in den Bundesländern - und ÖGB-Präsident Erich Foglar - zu verdanken. Nur Wiens Michael Häupl und Burgenlands Hans Niessl waren zurückhaltend und hätten lieber Gerhard Zeiler als Faymann-Nachfolger im Bundeskanzleramt gesehen. Aber am Ende erhielt Kern ein geschlossenes Votum aller Länder.

Und er galt als der neue Superstar der österreichischen Innenpolitik. Freundlich, verbindlich im Ton, smart im Erscheinen. Ein Mann, der Erfahrung als Manager - zuerst im Verbund, dann als ÖBB-Chef - mitbrachte, der aber auch die Partei kannte, war er doch einige Jahre Sprecher des damaligen SPÖ-Klubobmannes Peter Kostelka.

Plan A als Kampfansage

Sein Politikeinstieg wurde ihm auch durch den damaligen Vizekanzler und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner erleichtert, mit dem Kern eine gute Gesprächsbasis hatte. Der Neue im Kanzleramt wollte etwas bewegen und noch vor der Nationalratswahl, die ja erst 2018 stattfinden sollte, große Pflöcke einschlagen.

Im Jänner legte Kern dafür seinen Plan A vor, der dann auch Basis für ein neues Regierungsprogramm wurde. Zugleich brachte er mit seiner Inszenierung in Wels Sand ins Getriebe der Koalition, denn die ÖVP fühlte sich durch den Kern-Auftritt überrumpelt - war es doch so etwas wie eine Neuausrichtung der Partei und ein Überstrahlen des Koalitionspartners. Für ÖVP-Chef Mitterlehner wiederum bedeutete dieser neue Elan in der SPÖ verstärkten Erklärungsbedarf in den eigenen Reihen. Die Kritik an ihm wurde immer lauter, bis er schließlich alles hinwarf und das Ruder an Sebastian Kurz übergab. Begleitet wurde all das durch ständige Angriffe von ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka - sowohl auf den Bundeskanzler als auch den eigenen Parteiobmann.

Damit brach für Kern eine neue Zeit an. Hatte er bis dahin ein Alleinstellungsmerkmal mit seiner Frische, seiner Dynamik, erwuchs ihm in Kurz ein Gegner, der weder vom Kanzler noch vom Rest der SPÖ ernst genug genommen wurde. Eine Fehleinschätzung und der Beginn der Erosion des Glanzes des Neuen im Bundeskanzleramt.

Momentum nicht genutzt

Dass Kern das Momentum seines Einstiegs in die Politik nicht nutzte, um Neuwahlen auszurufen, wird von Politikbeobachtern als schwerer strategischer Fehler gewertet. Nun war Kurz der Herausforderer, der sich aber gleichzeitig geschickt in Deckung begeben hat. Das konnte Kern als Bundeskanzler nicht. Er musste präsent sein. Mit seinem ursprünglichen Bestemm darauf, dass Kurz als neuer ÖVP-Chef auch das Vizekanzleramt übernehmen müsse, begab sich Kern in eine vorhersehbare Niederlage. Denn ein Koalitionspartner schreibt dem anderen nicht vor, welche Funktion in seinem Team von wem ausgefüllt werden soll. Das ist eine rein parteiinterne Angelegenheit. Kurz hat der SPÖ diesen Gefallen nicht getan, sondern seinerseits Neuwahlen ausgerufen.

Erfolge trotz Regierungsaus

Und obwohl die Koalition schon zu Ende war, konnte der Kanzler noch einige Projekte durchbringen. Die Bildungsreform samt Schulautonomie und Start der Modellregionen für die Gesamtschule wurde auf den Weg gebracht, die Uni-Finanzierung beschlossen und der Pflegeregress wurde abgeschafft. Dass die Gegenfinanzierung in Form von Schenkungs- und Erbschaftssteuer vorerst fehlt, hinterlässt allerdings bei der SPÖ einen schalen Beigeschmack.

Dass die Konjunktur pro Regierung wirkt, kommt im allgemeinen Wahlgetümmel nicht zur Geltung. Der Wirtschaftsmotor brummt wieder, die Arbeitslosenzahlen gehen zurück. Das müsste für eine Regierungspartei wie ein Turbo im Wahlkampf wirken - tut es aber nicht.

Für Kern geht es jetzt darum, verlorenes Terrain wieder gutzumachen und die Funktionäre zum Rennen zu bewegen. Die Vorarbeit hat er mit seiner Arbeit am Plan A schon gemacht - es ist daher nur natürlich, dass eine Weiterentwicklung dieses Papiers auch das Wahlprogramm für seine Partei darstellt.