Kritik an Pakistans Verhalten gegenüber Taliban. | Erneut Anschläge der Islamisten. | Islamabad. Zwei Wochen nach der Tötung von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden im pakistanischen Urlaubsort Abbottabad bemühen sich die USA um Schadensbegrenzung: Der einflussreiche Senator John Kerry reiste nach Islamabad, um einerseits Pakistan die Leviten zu lesen, andererseits aber auch, um dem Verbündeten die weitere US-Unterstützung zu versichern.
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Zuvor hatte Kerry Afghanistan besucht. Die Entwicklungen in dem Nachbarland hängen eng mit der Lage in Pakistan zusammen. Der Senator deutete an, dass nach dem Tod Bin Ladens der Krieg in Afghanistan rascher beendet werden könnte. "Wir sind an einem kritischen Punkt angelangt, wo wir in der Lage sei könnten, die Verantwortung schneller zu übertragen." Der Tod des Al-Kaida-Chefs markiere einen neuen Abschnitt in den amerikanisch-afghanischen Beziehungen, so Kerry. Nach fast zehn Jahren Krieg ohne klare Siegesaussichten wollen die USA im Juli mit dem Abzug ihrer Soldaten am Hindukusch beginnen.
Kerry übte in diesem Zusammenhang Kritik an Pakistan: Es gebe immer noch "beunruhigende" Anzeichen dafür, dass aufständische Taliban, die in Afghanistan operierten, in Pakistan ihr Rückzugsgebiet hätten, sagte der US-Senator.
"Abtrünnige Elemente"
Manche US-Politiker sind weiter davon überzeugt, dass Pakistan - ein wichtiger Bündnispartner der USA im Anti-Terror-Kampf - ein Doppelspiel treibt und den Al-Kaida-Chef in Pakistan, unweit der Militär-Akademie des Landes, über Jahre hinweg versteckte. Sie fordern daher, dass die US-Milliarden-Hilfe für Pakistan gekürzt werden soll.
Pakistans mächtiges Militär und der Geheimdienst verneinen eine Komplizenschaft mit den Terroristen, wollen aber nicht völlig ausschließen, dass "abtrünnige Elemente" aus den eigenen Reihen Bin Laden und seine Familie heimlich schützten. Kerry bemühte sich, die Zusammenarbeit zwischen den USA und Pakistan nicht in Frage zu stellen: "Wir müssen einen Weg finden, um weiter voranzukommen, wenn das geht. Wenn das nicht möglich ist, dann hat das eine Reihe von Konsequenzen, die sehr weitreichend sein können." Pakistan gilt als Schlüssel zur Beendigung des Krieges in Afghanistan. Ohne die Mithilfe des islamischen Nachbarn dürfte es kaum Hoffnung auf Frieden und Stabilität am Hindukusch geben.
Gleichzeitig muss Kerry bei seinem Besuch in Islamabad, wo er die Regierungsspitze traf, auch auf die Befindlichkeiten Pakistans eingehen. Das Land ist erzürnt darüber, dass die Operation der US-Spezialtruppen auf pakistanischen Boden gegen Bin Laden offenbar ohne die Zustimmung Pakistans erfolgte. Islamabad sieht seine Souveränität verletzt. Pakistans Parlament hat den USA nun mit Konsequenzen gedroht, wenn die USA nicht ihre Drohnenangriffe, mit denen Washington in Pakistan Taliban jagt, einstellen.
Pakistans Militärchef Asfaq Kayani erklärte Kerry, der Einsatz des US-Killerteams in Abbottabad habe "starke Empfindungen bei seinen Soldaten" ausgelöst. Pakistan bemüht sich nach Kräften, eine mögliche Verstrickung in die Tötung bin Ladens von sich zu weisen. Das Land fürchtet Racheanschläge Al-Kaidas. Am vergangenen Freitag kamen bei einem Attentat der pakistanischen Taliban rund 90 Menschen ums Leben. Die Taliban erklärten, dies sei ein erster Vergeltungsschlag für den Tod von Bin Laden.
In der pakistanischen Hafenstadt Karachi wurde am Montag ein Diplomat aus Saudi-Arabien von den Taliban erschossen. "Solange Amerika Al-Kaida verfolgt und Drohnen einsetzt, werden wir solche Attentate ausüben", sagte ein Sprecher der Islamisten.