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Khameneis Kurswechsel gegen Hardliner nicht uneigennützig

Von Arian Faal

Politik
Für einen Deal: Khamenei.

Irans Oberster Geistlicher Führer stellt sich in der Atomfrage erneut demonstrativ hinter die moderaten Kräfte rund um Präsident Rohani.


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Irans Oberster Geistlicher Führer, Ayatollah Ali Khamenei, hat sich in dieser Woche erneut hinter das iranische Verhandlungsteam rund um Außenminister Mohammad Javad Zarif gestellt und die Hardliner zur Mäßigung aufgerufen. Ihre ständigen Zwischenrufe und ihre harsch ausgedrückte Kritik diene dem Wohle des Landes nicht, so der Tenor seiner Aussagen der vergangenen Monate.

Einen Monat vor dem Ablauf der erneuerten Frist für eine politische Einigung im zwölfjährigen Disput im Atomstreit ist Khameneis persönliches Eingreifen in die Verhandlungen nicht unbedeutend. Der greise Kleriker, der während Ahmadinejads Amtszeit stets auf der Seite der Hardliner stand und jegliche Annäherungsversuche der Reformer an den Westen im Keim erstickte, vollzog in den letzten Wochen einen Schwenk, indem er sich demonstrativ hinter die moderaten Kräfte stellte. Diese erstmalige Brüskierung der ultrakonservativen Kräfte im Iran ist jedoch nicht ganz uneigennützig. Denn der 75-jährige Ayatollah, der in allen Belangen das letzte Wort hat, fürchtet um die Zukunft der Islamischen Republik. Wenn es nicht sehr rasch eine Besserung der Wirtschaftslage gibt, könnte das gesamte System gefährdet sein.

Dem Iran geht es nach der Regierungszeit von Mahmoud Ahmadinejad (2005-2013) wirtschaftlich immer noch sehr schlecht. Inflation (offiziell 16,7 Prozent) und Arbeitslosigkeit (14 Prozent 2014) dürften de facto weit höher liegen. Beide Probleme konnte die pro-westliche Regierung von Hassan Rohani bisher nicht in den Griff bekommen. Auch die internationale Isolation hat dazu geführt, dass große internationale Investoren ausbleiben. Zudem schaden die Sanktionen der Achillesferse der iranischen Wirtschaft, den Öleinnahmen.

Khamenei, der Chefverhandler und Außenminister Mohammad Javad Zarif vertraut, hat offenbar auch grünes Licht für eine endgültige Einigung im Atomstreit mit der internationalen Staatengemeinschaft gegeben. Den Hardlinern und Ultrakonservativen hingegen, die im Parlament, der Justiz und auch im Polizeiapparat die Oberhand haben, sind der reformorientierte, prowestliche Kurs Rohanis und Zarifs Konsens-Strategie ein Dorn im Auge. Rohani hatte die Hardliner im September als "politische Feiglinge" bezeichnet. Er bezog sich damit vor allem auf deren Vorbehalte gegen die Atomgespräche, bei denen nun der 30. Juni 2015 als definitive Deadline gilt.

Hinter den Kulissen messen viele Beobachter dem großen Einfluss von Irans zweitmächtigstem Mann, Ayatollah Akbar Hashemi-Rafsanjani, Bedeutung zu. Er soll als verantwortlicher Strippenzieher für Khameneis Kurswechsel in der Atomfrage gesorgt haben. Rafsanjani, der als politischer Ziehvater Rohanis gilt, habe den Obersten Führer davon überzeugt, dass eine baldige Einigung mit dem Westen das "Beste für das Wohl der Islamischen Republik sei", da "dadurch neue Türen geöffnet" würden und der Iran sich "aus der Isolation katapultieren" würde. Der 80-jährige Politveteran ist Chef des Schlichtungsrates im Iran.