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KI ist schlau - aber wir sind schlauer

Von Michael Swoboda

Gastkommentare
Michael Swoboda ist Geschäftsführer des österreichischen Bildungsanbieters ETC.
© Weinwurm WB

Was tun, wenn Maschinen unsere Aufgaben besser erledigen als wir?


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Nichts wird unseren Arbeitsalltag so verändern wie Künstliche Intelligenz. KI kann etwa viel schneller als ein Anwalt Probleme in Verträgen erkennen. Bestimmte Krebsarten kann KI viel genauer diagnostizieren als Ärzte. Verlage arbeiten bereits mit KI, wissen aber auch, dass sie damit keinen Pulitzer-Preis gewinnen. Eine Symphonie von einer KI komponierte Symphonie kann Zuhörer zu Tränen rühren. Jason Allen gewann einen Kunstwettbewerb mit einem KI-Bild.

Aber nur wenige würden mit der gleichen KI zum selben Ergebnis kommen. Denn Allen hat seine Eingabefähigkeiten lange trainiert und verfeinert - ein Job, der seit zwei Jahren als Prompt-Engineering bezeichnet und sehr gut bezahlt wird. Bei Anthropic, einer KI-Forschungs- und Sicherheitsfirma in San Francisco, werden derzeit 250.000 bis 335.000 Dollar pro Jahr für einen Prompt-Ingenieur und Bibliothekar ausgeschrieben, der mit nur 25 Prozent Büropräsenz programmieren, unterrichten und lehren soll.

Wen es betrifft? Alle! So wie das iPhone unseren Alltag verändert und Airbnb oder Uber hervorgebracht hat, wird generative KI unseren Arbeitsalltag verändern. Sie kann Beschäftigte in unterschiedlichen Branchen und Positionen - ob Werbung, Architektur, Programmierung, Grafik- und Produktdesign, Recht, Marketing oder Vertrieb - um mindestens
10 Prozent effizienter oder kreativer machen: Sie werden aber nicht dann nur schneller und produktiver, sondern auch leistungsfähiger, wenn sie lernen, mit und nicht gegen KI zu arbeiten. Denn es spricht vieles dafür, dass wir in Zukunft stärker eine kuratorische Rolle einnehmen werden, um zu beurteilen, welche von KI generierten Inhalte tatsächlich wertvoll oder originell sind.

Was KI noch nicht kann

Aufgaben, von denen früher angenommen wurde, sie würden ein hohes Maß an Bildung und Fähigkeiten erfordern, werden früher oder später automatisiert, sagt ChatGPT selbst und dürfte damit nicht ganz daneben liegen. Aber der Chatbot meint auch, der Film "Avatar 2" sei noch nicht produziert, wenn man ihn fragt, welches Kino ihn gerade zeigt. Nicht umsonst nennt ihn der KI-Forscher und Princeton-Professor Arvind Narayanan einen "Bullshit-Generator".

So sehr auch der Chatbot von OpenAI ein Durchbruch für breit zugängliche KI ist: Seine Ausgabequalität ist noch zu begrenzt und das menschliche Kontextverständnis auf absehbare Zeit zu überlegen. ChatGPT erstellt Inhalte aus dem, was bereits da ist, ohne es zu verstehen, ohne die Fähigkeit, sich selbst zu korrigieren oder etwas Neues zu entwickeln. Er glänzt mit Falschmeldungen und Zirkellogik, halluziniert inexistente Quellen und gerät in eine Identitätskrise, wenn man ihn mit den richtigen Eingabebefehlen (Prompts) in die Knie zwingt.

Wie eine Armee von Affen

Der "New York Times"-Journalist Kevin Roose vergleicht KI mit einer Armee von Schimpansen, die ein erstaunliches Erinnerungsvermögen haben, stark, agil und intelligent sind, aber umsichtig geführt werden sollten. Dabei macht es keinen Sinn, mit den enorm rechenstarken Maschinen konkurrieren zu wollen. KI ist einfach besser darin, in stabilen Umgebungen zu operieren, in denen die Regeln klar definiert und konsistent sind. Der Mensch hingegen kann besser auf Überraschungen reagieren. Sei es, um Lücken zu füllen, sei es, um in einer Umgebung zu arbeiten, in der die Regeln nicht klar definiert sind.

Sich auf das zu konzentrieren, was wir als Menschen gut können, ist daher sinnvoll. Was wir KI-Systemen immer noch voraushaben, ist etwa unsere Fähigkeit, kritisch zu denken sowie Entscheidungen zu planen, zu bewerten und umzusetzen. KI mag schlau sein, aber noch sind wir schlauer. Die Fähigkeit, mit Menschen umzugehen, sie zu begeistern, Vertrauen aufzubauen, soziale Kontakte zu knüpfen und Mehrwerte zu entwickeln, wird auf dem Arbeitsmarkt weiterhin wichtig sein. Ich kenne einen Buchhändler, der bessere Bücher empfiehlt als der Amazon-Algorithmus. Nennt man ihm drei Bücher, die einem gefallen haben, hat er mindestens ein weiteres in petto, das begeistert. Jeder Arzt kann sich hervorheben und unterscheiden, wie er mit Patienten umgeht. Beim Anwalt oder Steuerberater wird es künftig stärker darum gehen, wie angenehm und mehrwertig das Service ist.

KI hat das Potenzial, diese Berufe von Routineaufgaben zu entledigen. So können sie stärker an ihren fachlichen Fähigkeiten arbeiten und besser mit ihren Kunden interagieren. Vor allem ist generative KI ein Werkzeug, das uns hilft, Fachwissen besser zu nutzen und uns noch stärker zu spezialisieren. Wir müssen KI verstehen lernen, wir sollten sie bedienen können, und idealerweise handeln wir auch vorausdenkend - aber was wir mit unseren Werkzeugen anstellen, lag schon immer an uns.