Der Verfassungsschutz und die Misstrauenspolitik.
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Bundeskanzler Kurz war von den Ereignissen rund ums BVT am Beginn "schockiert und beunruhigt". Aber jetzt sei er beruhigt. Nun müsse die Justiz die Vorgänge aufklären. Und dann gäbe es entweder Verurteilung oder Entlastung der Beschuldigten. Aber diese Einschätzung ist kurz-sichtig (ein naheliegendes Wortspiel). Denn so wird es kaum sein: Verdacht. Ungereimtheiten. Aufklärung. Und alles wieder gut. Back to message control.
Zurzeit ist es vielmehr so: Je mehr "Aufklärung" man uns präsentiert, desto mehr Ungereimtheiten kommen ans Licht. In all der Undurchsichtigkeit werden nur zwei Dinge immer klarer: die Intention hinter dem Ganzen und der Dilettantismus der Ausführung. Und es ist keineswegs so, dass sich das gegenseitig aufheben würde: Die Intention des Innenministers, auf jenen Teil des Sicherheitsapparates zuzugreifen, der sich der Extremismusbekämpfung widmet - diese Intention wird durch das juristisch und politisch dilettantische Vorgehen nicht neutralisiert. Ganz im Gegenteil. Vielmehr sind nun sowohl die Behörde als auch die handelnden Personen diskreditiert.
Zur Intention gehört, dass sich ein Machtwechsel im BVT nicht auf das herkömmliche Umfärben beschränkt. Zu nahe scheinen sich die neuen Mächtigen und die Beobachtungsobjekte des Extremismusreferats. Etwa mit den Datenbanken über Burschenschaftler und Identitäre. Zu deutlich tritt fürs Publikum hervor, dass Umfärben hier Umwerten bedeuten soll: Denn so eine Behörde macht ja eine wichtige Definition. Sie definiert, wer oder was extremistisch ist. Etwa ein Kongress in Linz, bei dem Kickl referiert hat.
Zum Dilettantismus gehört, dass die Bilder der martialischen Razzia - die offensichtlich der Einschüchterung der Beamten dienen sollten - ungewollt als Nachricht an die Öffentlichkeit gelangt sind. In der internationalen Öffentlichkeit hat das zur Folge, die Zusammenarbeit zu gefährden. Man traut den österreichischen Diensten nicht mehr. Für die nationale Öffentlichkeit bedeutet dieses #BVTgate, dass eine grundlegende Säule der Glaubwürdigkeit des Staates beschädigt ist: das Vertrauen der Bürger. Doppelt beschädigt. Man weiß gar nicht, was schlimmer ist: der Wille oder die Ausführung.
Dazu gehört auch Straches Posting, der BVT sei "ein Staat im Staat". Denn das heißt, er sei nur bedingt loyal gegen die Republik. Er hätte seine eigene Agenda. Das mag als Oppositionsverhalten durchgehen. Wenn aber der Vizekanzler der Republik so etwa ohne handfeste Beweise in die Welt setzt, dann ist das - auch wenn später gelöscht - fahrlässig.
Jetzt treten alle an. Der Justizminister. Der Innenminister. Sie kommen mit Regeln, mit Prozeduren, die dem Publikum garantieren sollen, dass es rechtmäßig, verhältnismäßig, angemessen zugegangen sei. Aber die Auftritte überzeugen nicht. Weder Mosers Ungelenkheit noch Kickls Aggression. Da sind zu viele Ungereimtheiten und zugleich zu viele Gereimtheiten. Da passt so vieles nicht - und da passt zugleich zu vieles. Aufklärung? Alles gut? Wer Misstrauen sät, wird Misstrauen ernten. Aber anders als in der Natur gilt: Wer dieses dilettantisch sät, wird doppelt ernten: Misstrauen und Unglaubwürdigkeit.