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Kickls "Sprengstoffattentat" entschärft

Von Karl Ettinger

Politik

Bundeskanzler Kurz nimmt die Regierung beim Misstrauensantrag gegen den Innenminister in Schutz.


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Wien. Mehrere Berichte des Rechnungshofes, eine Aktuelle Stunde der ÖVP, die Finanzminister Hartwig Löger und der Koalition die Chance bot, für die Steuerreform die Werbetrommel zu rühren, eine Europastunde als Vorgeschmack auf den Wahlkampf für die EU-Wahl am 26. Mai. Das Tagesmenü an Themen bei der ersten regulären Sitzung des Nationalrats im heurigen Jahr bot am Mittwoch einfache parlamentarische Hausmannskost.

Der reichlich gewürzte Hauptgang wurde erst am Nachmittag in Form einer Dringlichen Anfrage der Jetzt-Fraktion an Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ins Hohe Haus geliefert. Als Dessert gab es einen Misstrauensantrag aller drei Oppositionsparteien SPÖ, Neos und Jetzt zum Nachtisch. Dieser Antrag schmeckte den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ von vorneherein gar nicht, weshalb sie diesen mit Mehrheit abservieren ließen.

Die Opposition läuft seit Tagen Sturm wegen Kickls Aussagen, wonach das Recht der Politik zu folgen habe. Im Zusammenhang damit lasse sich ein Rütteln an der Europäischen Menschenrechtskonvention herauszulesen, was Kickl aber bestreitet. "Ein Innenminister darf so etwas nicht so sagen", kritisierte Jetzt-Abgeordneter Alfred Noll.

"Herr Kickl, treten Sie ab, Herr Kanzler, helfen Sie ihm dabei"

Er sprach von einem "verbalen Sprengstoffattentat" auf den Rechtsstaat. Nolls Rede gipfelte in der Aufforderung: "Herr Kickl, treten Sie ab! Herr Bundeskanzler, helfen Sie ihm dabei."

Daran dachte Kurz, an den die Anfrage gerichtet war, aber ganz und gar nicht. Jeder Minister in dieser Regierung habe nicht nur die Verfassung samt Europäischer Menschenrechtskonvention, sondern auch das Regierungsprogramm zu achten, betonte der Bundeskanzler. Als Unterstützung saßen neben ihm Vizekanzler FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, Wirtschaftsministerin Margarete Schrammböck und die Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (beide ÖVP). Der Innenminister selbst war nicht anwesend.

Als Regierung sei man "verantwortlich dafür, die Gesetze zu vollziehen", stellte Kurz klar. Gleichzeitig werde Österreich in der EU aber dafür eintreten, dass es künftig "mehr Spielraum" gebe, um straffällig geworden Asylwerber abschieben zu können.

Nachdem Jetzt-Mandatar Peter Pilz den Misstrauensantrag der Opposition gegen Kickl (Pilz: "Das war kein Ausrutscher") eingebracht hatte, knüpfte ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl bei der Verteidigungslinie für den Innenminister direkt bei jener des Bundeskanzlers Kurz an:
"Die Menschenrechte sind unverrückbar", so Gerstl. Für die Kritik der Opposition hatte er keinerlei Verständnis: "Hören Sie auf, die Bundesregierung schlechtzumachen." Inhaltlich trat auch Gerstl für Änderungen auf EU-Ebene ein.

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner erinnerte zuerst daran, dass die Europäische Menschenrechtskonvention 1964 einstimmig im Hohen Haus in den Verfassungsrang gehoben worden sei. Zu Kickls Äußerungen stellte sie fest: "Nein, es war kein Ausrutscher." Vielmehr handle es sich um den "Ausdruck einer zynischen Machtideologie" des Ministers. Weiters warnte Rendi-Wagner: "Sie sind auf die Verfassung vereidigt, nicht auf das FPÖ-Wahlprogramm."

FPÖ-Klubchef Walter Rosenkranz versuchte, in den Gegenangriff zu gehen. Mit jedem Misstrauensantrag, es war der sechste gegen Kickl, "steigt das Vertrauen der Österreicher in diesen Innenminister", erklärte Kickls FPÖ-Parteikollege im Brustton der Überzeugung. Die Ideologie der Opposition sei falsch, um die Probleme jetzt zu lösen.

Kickl selbst hat nach seinen Angaben während der Debatte im Nationalrat die Hände nicht in den Schoß gelegt. In einem Instagram- und Facebook-Posting erklärte der Ressortchef, sich mit Außenministerin Karin Kneissl über erweiterte Rückführungsmöglichkeiten von abgelehnten Asylwerbern nach Syrien unterhalten zu haben. Die Opposition musste das als weitere Provokation empfinden.

Für Burgenlands FPÖ ist Moser Teil einer "Hetzkampagne"

Die Debatte um den Innenminister wurde auch außerhalb des Parlaments geführt und schlägt in der FPÖ Wellen. Für Burgenlands Vizelandeshauptmann FPÖ-Chef Johann Tschürtz ist Justizminister Josef Moser "rücktrittsreif". Tschürtz kritisierte laut "ORF Burgenland", dass der von der ÖVP gestellte Justizminister, der Jörg Haiders FPÖ-Klubdirektor war, sich einer "regelrechten Hetzkampagne" gegen Kickl angeschlossen habe. Moser war in der Vorwoche auf Distanz zu Kickls Aussagen, das Recht müsse der Politik folgen, gegangen.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker meinte, die Aussagen von Tschürtz würden nicht der Meinung der Bundes-FPÖ entsprechen. Schon vor längerem hatten allerdings die FPÖ-Obleute in Vorarlberg und Tirol heftige Kritik an der Arbeit des Justizministers geübt.

Der Konflikt zwischen Regierung und Opposition ging daneben auf anderer Ebene, beim Nützen parlamentarischer Rechte weiter. Die SPÖ hat als Minderheit eine Sonderprüfung des Rechnungshofes der von ÖVP und FPÖ installierten Generalsekretäre in den Ministerien beantragt.

Die Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ brachten einen Antrag für eine Sonderprüfung des Burgtheaters in der Zeit des damaligen Bundestheater-Geschäftsführers Thomas Drozda, der nun SPÖ-Bundesgeschäftsführer ist, ein. Ein dritter Antrag der Opposition an den Rechnungshof läuft bereits. Drei solche Sonderprüfungen als Minderheitsrecht können beantragt werden. Die Folge: Türkis-Blau hat mit der Nützung des Minderheitsrechts vorerst die Möglichkeit einer weiteren Sonderprüfung blockiert.