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Die Regierung in Moskau hat also offenkundig entschieden, sich die Ukraine wieder einzuverleiben. Der russische Präsident Wladimir Putin will der Zar eines Großrussland werden, die Europäische Union hat sich diesem Wunsch gefälligst unterzuordnen. Anders lassen sich das Blutbad in der Ukraine und der von Präsident Wiktor Janukowitsch ausgerufene "Anti-Terror-Kampf" nicht erklären.
Die Eskalation in Kiew folgt dem bekannten russischen Konzept, wonach immer die andere Seite den ersten Stein geworfen habe, nun müsse "mit allen Mitteln die Rechtsstaatlichkeit wiederhergestellt werden". Tote und Verletzte werden dabei bedenkenlos in Kauf genommen.
Angesichts der Tragödie hat die EU endlich reagiert, doch bei weitem nicht stark genug. Denn eigentlich müssten die Sanktionen auch Russland treffen. Doch das russische Erdgas, das uns im Winter wärmt, wiegt offenbar immer noch schwerer als jede Form von Menschenrechtsverletzung. Auch das wird sich ändern müssen.
Was würde die EU wohl unternehmen, wenn sich Ähnliches in Rom, Warschau oder Wien abspielte? Das ist die Frage, die zu stellen ist. Denn Kiew ist Europa, und die ukrainische Bevölkerung orientiert sich insgesamt und überwältigend am europäischen Lebensstil. Europa ist allerdings keine Karotte, sondern eine Wertegemeinschaft, und an deren erster Stelle stehen die Menschenrechte.
Es sind daher nicht nur die Institutionen der Europäischen Union aufgerufen, die Gewalt in der Ukraine zu stoppen, sondern sämtliche auf den Menschenrechten fußende Institutionen. Die christlichen Kirchen haben nun ihre Verantwortung wahrzunehmen, aber auch die westlichen Investoren im Land. Der Kampf gegen diese Aggression wird auch den Westen wirtschaftlich treffen, zweifellos.
Doch in der Ukraine sterben Menschen, weil sie eines Systems überdrüssig sind, das pseudo-demokratisch und korrupt ist. Mit dem Blutbad in Kiew, angefeuert von Milliarden-Zahlungen aus Russland, hat das Regime gezeigt, wo es hin will. Trotz Straßensperren fahren am Maidan Busse aus dem ganzen Land vor, um zu zeigen, dass dieser Weg nicht ihrer ist. Nun muss Europa zeigen, wo es steht, wozu es bereit ist und vor allem, wie stark es in Wahrheit ist. Und erst danach mit Russland verhandeln.