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Kiew zögert bei EU-Assoziierungsabkommen

Von Gerhard Lechner

Politik

Der im Juni vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko unterzeichnete Vertrag wurde noch nicht ratifiziert.


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Wien. Petro Poroschenko war sich der Bedeutung des Tages bewusst: Ein historischer Tag sei dieser 27. Juni, einer der wichtigsten seit der Erlangung der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 1991, betonte der ukrainische Präsident damals in Brüssel. Poroschenko unterschrieb vor nicht ganz einem Monat jenes Abkommen, dessen Nichtunterzeichnung im Herbst vergangenen Jahres zu den Protesten auf dem Kiewer Maidan geführt hatte. Und er unterfertigte es mit der Feder seines Amtsvorgängers Wiktor Janukowitsch. Der hatte im November 2013 mit derselben Feder bei dem EU-Erweiterungsgipfel in Vilnius das Assoziierungsabkommen mit Brüssel unterzeichnen wollen, ehe er - wohl unter dem Druck des Kremls und der klammen ukrainischen Staatskasse - eine Woche vor Vertragsunterzeichnung einknickte. Die Aufschiebung der Unterzeichnung des damals schon zwei Jahre auf Eis liegenden Abkommens leitete Janukowitschs politisches Ende ein.

Es mutet daher seltsam an, dass jenes Abkommen, um dessentwillen auf dem Maidan Blut vergossen wurde, immer noch auf Eis liegt. Zwar hat Poroschenko - wie auch seine georgischen und moldawischen Amtskollegen - das Abkommen am 27. Juni unterschrieben. Doch während Moldawien und Georgien das Freihandelsabkommen mit Brüssel bereits ratifiziert haben, zögert Kiew noch. Das Parlament, die Werchowna Rada, hat von Präsident Poroschenko noch keine Gesetzesvorlage zur Beschlussfassung vorgelegt bekommen. Warum, ist unklar. Manche in Kiew munkeln, der "Schokokönig" Poroschenko sei auch Geschäftsmann und wolle sich sein Russlandgeschäft nicht verbauen.

Andere vermuten, Poroschenko wolle den Text erst nach dem Abschluss der Konsultationen mit der EU und Russland über das Assoziierungsabkommen ratifizieren. Allein: Der Text des Abkommens steht bei diesen Konsultationen nicht zur Debatte, es geht nur um dessen - Russland möglichst schonende - Umsetzung. Sollte Poroschenko wirklich zuwarten wollen, würde sich die Ratifikation des Abkommens erheblich verzögern: Die nächste Sitzung Ukraine-EU-Russland zum Assoziierungsabkommen ist für 12. September anberaumt. Der ukrainische Botschafter bei den internationalen Organisationen in Wien, Ihor Prokoptschuk, erklärte bei einem Pressegespräch in Wien, dass die Ratifizierung noch "in Vorbereitung" sei, da das Abkommen das derzeit geltende Handelsregime mit der EU beeinflussen werde.

Georgien und Moldawien sind schon einen Schritt weiter

Prokoptschuk wies die Idee einer "lockeren Föderation" in der Ukraine zurück. Das Land "war, ist und wird ein einheitlicher Staat sein", betonte der Botschafter. Er sprach aber auch vom Dezentralisierungskonzept Kiews, das den Regionen mehr Rechte einräumen werde. "Diese Versprechen sind bis jetzt aber nur sehr vage", meint der Politologe Kyryl Savin aus Kiew. "Es gibt im Grunde nichts Konkretes. Poroschenko hat einen Verfassungsentwurf mit sehr allgemein gehaltenen Aussagen geliefert, der im Parlament kritisch aufgenommen wurde", sagt der Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew zur "Wiener Zeitung". "So will Poroschenko beispielsweise die Gouverneure der Oblaste, also der einzelnen Gebiete, die vom Präsidenten ernannt werden, abschaffen. An deren Stelle sollen Präfekte treten - die aber wiederum die Vertreter des Präsidenten wären", meint Savin.

Georgien und Moldawien haben das EU-Assoziierungsabkommen bereits am 18. beziehungsweise am 2. Juli ratifiziert, berichteten deren Botschafter, Andrei Popov und Konstantin Saldastanischwili, in Wien. Während Russland auf den moldawischen Schritt vom 2. Juli sofort reagierte - Moskau hatte einen Tag später bereits die Einfuhr von moldawischem Fleisch stark eingeschränkt - , blieb Georgien bisher von Sanktionen verschont.