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Dass die Ukraine zu Europa gehört, ist banal. Die entscheidende Frage dreht sich um die Form dieser Anbindung.
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Wenn sich in den kommenden Tagen die EU-27 zu einem Gipfel in Brüssel sowie anschließend die sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten (G7) in Bayern treffen, wird das Schicksal der Ukraine erneut ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
Nachdem sich zuletzt die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Deutschland und Italien in Kiew dafür ausgesprochen haben, dem von Russland überfallenen Land den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen, ist ein entsprechender Beschluss beim EU-Gipfel wahrscheinlich.
Tatsächlich vergeht kein Tag, an dem die Regierung in Kiew nicht mit Vehemenz diesen Schritt einfordert. Das ist das gute Recht der ukrainischen Regierung, aber es ist Sache der EU, darüber zu entscheiden, wer Mitglied in ihrem Klub werden kann und soll, wofür es im Übrigen ein klares Prozedere gibt. Bloß machen das fortgesetzte Sterben und Morden in der Ukraine eine nüchterne Debatte über die europäische Zukunft des Landes unmöglich. Im Krieg haben Worte und Taten eine andere Bedeutung als im Frieden.
Die Ukraine verdient dennoch mehr als nur ein durch die Schrecken des Kriegs motiviertes Versprechen auf Aufnahme durch die EU, doch dafür fehlen dieser die Grundvoraussetzungen: ein belastbarer Konsens über die Interessen der EU mit Blick auf die Ukraine, politisch, wirtschaftlich und vor allem geostrategisch. Denn dass dieses Land historisch und kulturell zu Europa gehört, ist banal. Die entscheidende Frage dreht sich um die geeignete politische Form dieser Zusammengehörigkeit.
Darauf weiß die EU, wenn sie ehrlich zu sich selbst ist, noch keine abschließende Antwort. Aufgrund der akuten Bedrohung durch Russland wäre ein schneller Beitritt zur Nato der naheliegende erste Schritt, doch das gilt spätestens seit dem Zerstörungskrieg des Kreml als ausgeschlossen (und war in Wirklichkeit schon zuvor hochgradig unwahrscheinlich).
Eben weil aus heutiger Sicht kaum vorstellbar ist, wie die Ukraine in absehbarer Zeit Mitglied der EU werden kann, sind die EU-Institutionen und Mitglieder mit Partnerinstitutionen wie der Nato und Partnerstaaten wie Großbritannien und die USA gefordert, eine Architektur zu entwickeln, um Staaten wie die Ukraine (und einige weitere wie Georgien oder Moldawien) fest in Europa zu verankern, ohne jedoch damit das Projekt EU zu gefährden.
Doch das geht nicht, solange Russland in der Ukraine Krieg führt. Sicherheit in Europa wird auf sehr lange Zeit gegen Moskau definiert werden - nicht mit.