Unterzeichner des Gründungsdokuments der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) erinnern sich bei Diskussionsveranstaltung in Wien.
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Wien. Es war eine Veranstaltung, wie man sie heute in Moskau, Kiew oder Minsk wohl nur schwer organisieren könnte: Gut 30 Jahre nach Unterzeichnung der historischen Verträge von Bjelowesch, die mit der Gründung der "Gemeinschaft Unabhängigger Staaten" (GUS) am 8. Dezember 1991 das Ende der Sowjetunion besiegelt hatten, lud das Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES) zu einer Diskussionsveranstaltung in die Diplomatische Akademie in Wien. Zugegen waren am Mittwochabend mit dem damaligen russischen Vizepremier Gennadi Burbulis, dem ukrainischen Ex-Premierminister Witold Fokin und dem weißrussischen Ex-Außenminister Pjotr Krawtschenko drei Mitunterzeichner des Abkommens. Das damalige weißrussische Staatsoberhaupt, Ex-Parlamentspräsident Stanislaw Schuschkjewitsch, wurde per Videostream zugeschaltet, der ukrainische Ex-Präsident Leonid Krawtschuk musste wegen gesundheitlicher Probleme absagen.
Das Treffen in einem Jagdhaus im weißrussischen Urwald ist bis heute mythenumrankt: In wodkageschwängerter Atmosphäre, so wird oft von Sowjetnostalgikern behauptet, sei das Ende der Sowjetunion bewusst herbeigeführt und gefeiert worden. Die Teilnehmer der Diskussion betonten unisono, dass das nicht der Fall war: Im Dezember 1991, so Krawtschenko und Burbulis, sei die UdSSR de facto nur noch juristisch existent gewesen.
"Chance auf Souveränität"
Die Staaten hätten schon ihre Unabhängigkeit erklärt gehabt. Auch Wodka sei nur wenig geflossen. Bei dem Treffen hätte es laut Schuschkjewitsch ursprünglich vor allem um Wirtschaftsprobleme gehen sollen - etwa darum, die Energieversorgung Weißrusslands zu sichern. Erst nach der Unterzeichnung des Abkommens, als er die Nachricht darüber im Radio hörte, sei ihm die historische Bedeutung des Vertrages bewusst geworden.
Eine zentrale Rolle beim Ende der UdSSR spielte die Ukraine. 90 Prozent der Ukrainer unterstützten am 1. Dezember 1991, also noch vor dem Treffen, die Unabhängigkeit ihres Landes - das gab den ukrainischen Vertretern eine "herausragende Legitimität", wie der russische Ex-Vizepremier Burbulis sagte. Auch der ukrainische Ex-Premier Fokin betonte, in Kiew habe man damals vor allem an die Chance gedacht, ein unabhängiger Staat werden zu können. Der Wille zur Unabhängigkeit war in der Ukraine damals deutlich größer als in Belarus, wo man sich eher unversehens in der Selbständigkeit wiederfand.
Es war letztlich das resolute Nein Krawtschuks, das eine erneuerte Union der drei slawischen Staaten unmöglich machte. Das kam auch in der Namensgebung der GUS zum Ausdruck - die Ukraine bestand auf "Gemeinschaft" und "unabhängig" statt "Union" und "demokratisch".
Interessant war, dass es mit Burbulis ausgerechnet der russische Vertreter war, der am wenigsten Sowjetnostalgie zeigte. Während Krawtschenko und sogar Fokin der Sowjetunion in Teilen nachtrauerten, wies Burbulis darauf hin, dass die UdSSR ein totalitäres Imperium gewesen sei, das auf Terror gegründet worden war. "Der Kollaps des Imperiums war historisch nötig", sagte der russische Ex-Premier.