HHC als legale Droge. Deutschland will Cannabis legalisieren. Was bedeutet das für Österreichs Drogenpolitik?
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Eine Legalisierung von Cannabis in Österreich ist derzeit kein Thema. Während die Ampelkoalition in Deutschland aktuell an einer Form der Legalisierung des psychoaktiven Cannabinoids Tetrahydrocannabinol (THC) feilt, kommt das Wort "Cannabis" im türkis-grünen Regierungsprogramm nicht vor. Seine Partei sei zwar "ganz aufgeschlossen" für eine Legalisierung, sagte Grünen-Vizekanzler Werner Kogler kürzlich in einem Interview, eine parlamentarische Mehrheit dafür sei aber ohnehin nicht in Sicht. Das bestätigt auch das Gesundheitsministerium: In der Koalition gebe es unterschiedliche Auffassungen zum Thema, eine Neuregelung von Cannabis sei deshalb nicht geplant. Somit wird, was die Rechtslage rund um den Konsum, Erwerb und Verkauf von Cannabis betrifft, in näherer Zukunft alles beim Alten bleiben. Kurz gesagt: Kiffen ist nicht legal.
Seit einiger Zeit drängt allerdings eine Substanz auf den Markt, die das österreichische Verbot ein Stück weit untergräbt. Hexahydrocannabinioid (HHC) taucht auf den Websites von Hanfshops auf, die bis dahin Produkte mit dem dem legalen, nicht berauschenden Cannabinoid CBD angeboten haben. Konsumenten von HHC berichten allerdings sehr wohl von einer psychoaktiven Wirkung, ähnlich der von THC, wenn auch schwächer ausgeprägt. Von Natur aus kommt HHC nur in sehr geringen Mengen in der Cannabispflanze vor. Um größere Mengen des Cannabinoids zu erhalten, muss es daher halb synthetisch hergestellt werden.
Fehlende Regulierung von HHC führt zu Risiken
Während THC in legalen Cannabisprodukten maximal zu 0,3 Prozent enthalten sein darf, sieht die Welt bei HHC anders aus: Fruchtgummis mit 10 Prozent des Cannabinoids; mit HHC besprühte Hanfblüten mit bis zu 35 Prozent; Sprays, die über 90 Prozent der Substanz enthalten sollen: Das alles ist in den Online-Shops diverser Hanfgeschäfte zu finden. Ganz legal, wie auf den entsprechenden Websites betont wird.
Das Gesundheitsministerium bestätigt das auf Anfrage der "Wiener Zeitung": "Wird HHC synthetisch hergestellt, unterliegt es in Österreich aktuell nicht dem Suchtmittelrecht (kein Suchtgift oder psychotroper Stoff) und daher auch keinem rechtlichen Verbot", schreibt es auf Anfrage. In die Vorschriften des Suchtmittelgesetzes falle HHC nur, wenn es aus Cannabisextrakt gewonnen wird. Das ist in der Suchtgiftverordnung als Suchtmittel definiert.
Das bedeutet, dass synthetisch hergestelltes HHC in Österreich völlig unreguliert ist. Doch gerade das führt zu Risiken. Käufer wissen nicht, wie in den Labors gearbeitet wird, welche Chemikalien den HHC-Produkten beigemischt werden. "Wenn man nicht wissen kann, was da sonst noch drinnen ist, ist das für Konsumenten natürlich ein großes Problem", sagt Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien. Qualitätskontrollen gibt es keine.
Dazu kommt, dass HHC in Europa ein relativ neues Phänomen ist, seit einem halben Jahr bis Jahr dürfte es laut Lochner vermehrt im Umlauf sein. Verlässliche Aussagen über Wirkung und mögliche Langzeitfolgen des Konsums können daher noch nicht getroffen werden. Auch sei kaum abzuschätzen, wie weit verbreitet HHC in Österreich tatsächlich ist. "Wir können aber feststellen, dass die Zielgruppe sehr jung ist", sagt Lochner. Gerade auf Social-Media-Plattformen wie TikTok werde die Wirkung von HHC nicht selten angepriesen und für Junge so attraktiv.
All das führt dazu, dass Rufe nach einer Regulierung laut werden. Die Neos forderten in einem Entschließungsantrag Ende Jänner etwa die Bundesregierung auf, HHC in die Neue-Psychoaktive-Substanzen-Verordnung aufzunehmen. Eine umfassende Reform der österreichischen Suchtmittelpolitik sei zwar "überfällig", doch "einzelne Produkte aus Gesetzeslücken heraus breit verfügbar zu machen, stellt ohne Aufklärung aus gesundheitlicher Sicht ein enormes Risiko dar", heißt es im Antrag.
Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) hat HHC jedenfalls bereits am Radar, im Dezember vergangenen Jahres fand ein erstes Expertentreffen zum Umgang mit halbsynthetischen Cannabinoiden statt. Auch das Gesundheitsministerium bestätigt, dass eine rechtliche Einstufung von HHC evaluiert wird. Wann eine Entscheidung fallen soll, ist aber offen.
Deutschland sieht bisherige Drogenpolitik als gescheitert
Auch Österreichs Nachbarländer denken über Reformen der Drogenpolitik nach. In Deutschland plant die Bundesregierung, den Wirkstoff THC unter gewissen Voraussetzungen zu legalisieren. Die bisherige Drogenpolitik sei gescheitert, begründet der zuständige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der Konsum von Cannabis nehme zu und der Schwarzmarkt floriere. Mit der geplanten Legalisierung soll der Cannabismarkt in geordnete Bahnen gelenkt, Drogenkriminalität bekämpft und Qualitätskontrollen ermöglicht werden. Laut einem Eckpunktepapier von Oktober 2022 gibt die Koalition einen Ausblick, was die Deutschen künftig erwarten könnte: Besitz, Konsum und Anbau von gewissen Mengen an THC-haltigem Cannabis soll erlaubt werden, der Verkauf soll aber nur in lizenzierten Abgabestellen und Apotheken erfolgen. Wer ohne Lizenz Cannabis in den Verkehr bringt, soll sich weiterhin strafbar machen. Verfügbar soll Cannabis nur für über 18-Jährige sein, für Jüngere will man auf stärkeren Jugendschutz und Aufklärung setzen.
Einen konkreten Gesetzesentwurf gibt es dazu aber noch nicht, auch ist unklar, ob die geplante Legalisierung überhaupt mit internationalem Recht vereinbar ist. Das Eckpunktepapier hat die Koalition jedenfalls der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt, immerhin untersagt EU-Recht grundsätzlich den gewerblichen Handel mit Cannabis. Denn dieser ist auch in Ländern mit liberaler Gesetzgebung nicht erlaubt.
Würde eine Cannabislegalisierung in Deutschland das österreichische Verbot ad absurdum führen, wenn Österreicher jenseits der Grenze künftig eine völlig andere Rechtslage vorfinden sollten? Auswirkungen auf Österreich seien noch nicht seriös einzuschätzen, heißt es aus dem Gesundheitsministerium, die deutschen Pläne noch zu wenig konkret. Deshalb sei es noch zu früh, über mögliche Reaktionen nachzudenken.
Lochner blickt der möglichen Gesetzesänderung in Deutschland gelassen entgegen. "Wenn ich ein Land verlasse, gibt es eine andere Gesetzgebung. Das hat man immer." Schon jetzt gelten in österreichischen Nachbarländern teils lockerere Regeln im Umgang mit Cannabis, etwa in Tschechien und der Schweiz. "Uns geht es aus einer suchtpräventiven Sicht darum, die Konsumenten zu befähigen, das Risiko, das sie eingehen, einzuschätzen", sagt Lochner.
Österreich ist gesetzlich gut aufgestellt
Und auch was die Regulierung neuer Substanzen betrifft, sieht Lochner Österreich rechtlich gut aufgestellt. Dazu trage vor allem das Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz und eine entsprechende Verordnung bei, die in den 2010er Jahren als Reaktion auf das Aufkommen neuer vor allem synthetischer Suchtmittel geschaffen wurden. Die Verordnung regelt, welche Substanzen vom Gesetz umfasst sind und kann unkompliziert durch den Gesundheitsminister um neue Stoffe ergänzt werden. Dass eine Anpassung beim Aufkommen neuer Substanzen etwas Zeit in Anspruch nimmt, sei nicht zu vermeiden. "Auch der Minister muss sich die Faktenlage ansehen, bevor er die Verordnung unterschreibt", sagt Lochner. An der nötigen Fachexpertise würden österreichische und europäische Stellen nun arbeiten. Österreich liege laut Lochner bei der Gesetzgebung rund um synthetische und halbsynthetische Drogen aber "auch im europäischen Kontext im Spitzenfeld".