Moratorium aufgehoben - Forschung soll in wenigen Wochen fortgesetzt werden.
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Wien. Killerviren. Hochansteckend. Biowaffen in den Händen von Terroristen. Eine Pandemie, die Tausende dahinrafft und alles aus der Bahn wirft. Dieses Echo auf ihre Experimente hatten sich Ron Fouchier vom Erasmus Medical Center in Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka von der Universität Wisconsin wohl nicht erwartet. Unabhängig voneinander hatten sie im Herbst 2011 gezeigt, dass die Vogelgrippe eine Gefahr darstellt, gegen die die Menschheit sich wappnen müsste. Nur wenige Veränderungen im Erbgut des Virus reichen, damit es sich von Säugetier zu Säugetier überträgt.
Aus der Natur sind bisher 600 Fälle bekannt, in denen besonders aggressive Varianten des Vogelgrippe-Erregers H5N1 durch direkten Kontakt mit Geflügel, etwa durch Kot, sich auf Menschen übertragen haben. Allerdings starben 60 Prozent der Grippe-Patienten. "Die Vogelgrippe ist eine sehr schwere Erkrankung, die sich aber im Unterschied zu anderen Influenza-Viren bisher noch nicht durch Anhusten oder -niesen von Mensch zu Mensch überträgt. Es ist unglaublich wichtig, sowohl für die Biologie als auch zur Pandemie-Vorbeugung, zu wissen, warum das nicht der Fall ist und zu schauen, wie das Virus mutieren könnte, damit das passiert", erklärt Franz Xaver Heinz, Vorstand des Instituts für Virologie der Medizinuni Wien. Um Letzteres abschätzen zu können, manipulierten Fouchier und Kawaoka H5N1 im Labor und infizierten Frettchen damit. Der Erreger verbreitete sich unter den Nagern ohne direkten Kontakt, rein über die Luft.
Es entbrannte eine hitzige Debatte über die Freiheit der Forschung, die Gefahr von in Reagenzgläsern gezüchteten Super-Erregern und den Schutz der Bevölkerung. Die US-Regierung appellierte an die Wissenschafter, ihre Ergebnisse geheim zu halten. Hobby-Biologen können doch nicht einfach Virus-Mutationen in ihren Garagen nachbauen, konterten die Forscher. Schließlich gab das US-Gremium für Biosicherheit vergangenen Sommer grünes Licht für die Publikation. Es bestand jedoch auf dem freiwilligen Moratorium, auf das Grippeforscher aus aller Welt sich geeinigt hatten. Die Forschungspause, die zunächst nur für 60 Tage anberaumt war, jedoch schließlich ein Jahr dauerte, sollte dazu dienen, eine international akzeptierte Einigung zum Umgang mit Vogelgrippe-Viren zu finden. Eine Regelung fehlt immer noch. Trotzdem haben die 40 Unterzeichner am Mittwochabend bekannt gegeben, ihre Arbeit wieder aufnehmen zu wollen. In einem von "Nature" und "Science" veröffentlichten Brief schreiben die Forscher, Risiken und Nutzen umfassend abgeschätzt und ausreichende Sicherheitsmaßnahmen getroffen zu haben. Die Frettchenstudien seien "unter Einhaltung stringenter Sicherheitskriterien durchgeführt" worden. Und da das epidemische Potenzial der Labor-Viren noch nicht hinlänglich verstanden sei, sei es "notwendig, diese Forschungsarbeiten wieder aufzunehmen und weiterzuführen."
Höchste Sicherheitsstufe
Die Studien müssen weiterhin auf der höchsten Sicherheitsstufe (BSL4) durchgeführt werden. Dennoch seien die Arbeiten an gentechnisch veränderten Viren keineswegs risikofrei. Noch gefährlicher sei aber, nicht zu forschen, betonen die Forscher. Nur in Ländern wie den USA, wo an Vorschriften für Vogelgrippe-Übertragungsstudien gefeilt wird, soll die Arbeit vorerst noch ruhen.
Dass mutierte Vogelgrippe-Viren von Terroristen in Schurkenstaaten nachgebaut werden könnten, gilt als eher unwahrscheinlich. Experten warnen aber durch Schlamperei verursachte Laborunfälle. Laut der US-Seuchenbehörde CDC wird selbst in den besten Labors das Protokoll hin udn wieder vernachlässigt. In den USA haben sich von 2004 bis 2010 elf Mitarbeiter vermutlich über die Atemluft mit Pilzen und Bakterien infiziert. Das scheint zwar nicht viel, aber für ein Killervirus wäre es womöglich genug. Anders sieht es Fouchier: "Unser Virus ist ein lausiger Überträger. Die Natur kann das besser", betonte er im "Tagesspiegel".