US-Präsident Trump will aus dem Atomvertrag mit dem Iran aussteigen. Das hätte weitreichende Folgen.
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Warum ist der Iran das Feindbild Nummer 1 für US-Präsident Donald Trump?
Der Iran war seit der Islamischen Revolution 1979 immer einer der Hauptfeinde der USA auf der internationalen Bühne. Trumps Tiraden vor der UN-Vollversammlung vom Dienstag sind damit grundsätzlich nur die Fortführung traditioneller US-Außenpolitik. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Trump den Iran tatsächlich für brandgefährlich hält. Der US-Präsident kultiviert ausgeprägte Feindbilder, in seinem simplen Schwarz-Weiß-Weltbild muss es immer "das Böse" schlechthin geben. Dass der Iran unter diese Kategorie fällt, steht für Trump außer Zweifel. Immerhin hat Teheran die USA als den "großen Satan" schlechthin bezeichnet. Irans Geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei gebraucht diese Diktion fallweise immer noch. Mit grundsätzlich Bösen kann man nach Trump keinen "gute Deal" machen, sondern nur übers Ohr gehauen werden - was den USA im Fall des Atomabkommens laut Trump passiert und die größte für ihn vorstellbare Schande ist. Das hat er vor der UN-Vollversammlung gesagt und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Trump davon nicht zu 100 Prozent überzeugt ist.
Wie leicht/schwer ist es technisch für die USA, aus dem Vertrag auszusteigen?
Das amerikanische Verhandlungsteam müsste Mängel am Vertrag bei der Joint Comprehensive Plan of Action- Kommission (JCPOA) melden und dies dort besprechen oder aber die Außenminister der 5+1-Gruppe (Russland, China, Großbritannien, Frankreich und USA plus Deutschland) und des Iran einberufen. Erst wenn es im gemeinsamen Plenum keine Einigung gibt, könnte Washington unilateral teilweise oder ganz aus dem Vertrag aussteigen.
Wer in den USA könnte verhindern, dass Trump die Reißleine zieht?
Die Mehrheit im US-Kongress steht hinter der restriktiven Iran-Politik Trumps. Dennoch gibt es vor allem im Außenamt Fachexperten, die der Ansicht sind, dass ein Ausstieg aus dem Vertrag die Situation nur verschärfen würde. Zudem unterscheiden diese Experten sehr klar zwischen den iranischen Verpflichtungen im Rahmen des Abkommens einerseits und zwischen der Missachtung der Menschenrechte beziehungsweise dem Sponsoring von Terrorismus andererseits. Auf den positiven Einfluss dieser Kräfte auf das Weiße Haus hoffen die anderen 5+1-Mitglieder.
Was passiert, wenn die USA wirklich aussteigen?
Der Iran hat seine Verpflichtungen bisher laut der internationalen Atomenergiebehörde (IAEA/IAEO), dem Kontrollorgan in der Causa, auf Punkt und Beistrich eingehalten. Diese Tatsache könnten die anderen Vertragsparteien zum Anlass nehmen, um am Deal festzuhalten. Washington würde alleine im Eck stehen und international sein Gesicht verlieren.
. . . was könnte es noch für Konsequenzen geben?
Die zweite Möglichkeit wäre, dass sich auch der Iran als Reaktion auf einen US-Ausstieg nicht mehr an den Vertrag gebunden fühlt. Der JCPOA wäre dann Geschichte. Die Islamische Republik könnte dann nach eigener Darstellung "binnen Stunden" wieder mit der hochgradigen Urananreicherung beginnen und das derzeit eingeschränkte Nuklearprogramm erneut hochfahren. Ein neuer Konflikt wäre vorprogrammiert.
. . . und was wäre als letztes Szenario denkbar?
Als eher unwahrscheinliche letzte Variante könnte der Deal in seiner derzeitigen Fassung zwar bestehen bleiben, aber nachverhandelt werden. Dies würden Trump und Israel begrüßen und auch die Franzosen mittragen. Doch Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif hat diese Variante mit dem Satz "The JCPOA is not (re-)negotiable" bereits kategorisch ausgeschlossen.
Was würde ein US-Ausstieg für die iranische Innenpolitik bedeuten?
Im Iran hat in allen Belangen der Geistliche Oberste Führer, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, das letzte Wort. Dieser hatte dem Deal im Juli 2015 ohnehin nur widerwillig zugestimmt. Ein US-Ausstieg könnte dazu führen, dass Khamenei ein Ende des Deals fordert und damit das Prestigeprojekt von Präsident Hassan Rohani und seinen moderaten Mitstreitern zunichtemacht. Der Anfang vom Ende vom Deal würde dann politisch auch höchstwahrscheinlich den Anfang vom Ende der Ära Rohani bedeuten. Die Ultrakonservativen wären massiv gestärkt und der Grundstein für einen weiteren Hardliner à la Mahmoud Ahmadinejad (Rohanis Vorgänger als iranischer Präsident, Anm.) wäre gelegt.
. . . und für die Außen- und Wirtschaftspolitik?
Weltweit große und namhafte Firmen müssten sich erneut fragen, ob sie gegen US-Sanktionen verstoßen, wenn sie mit den Persern Geschäfte machen. Setzen sich Airbus, Renault und Co. wirklich in die Nesseln? Russland und China, die enge Verbündete Teherans und gegen einen US-Ausstieg aus dem Abkommen sind, würden sich dann wirtschaftlich und politisch noch näher an den Iran annähern.
Wie wird sich Europa verhalten?
Die Europäer sitzen in solch einem Fall in der Zwickmühle. Einerseits müssen sie sich entscheiden, ob sie Washington die Stirn bieten und die Position des Iran unterstützen, und andererseits geht es auch um die Frage der wirtschaftlichen Interessen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist bereit, den Iran-Deal nachzuverhandeln. Ist er jetzt auf Trumps Seite?
Nein, die Franzosen haben sich ganz dezidiert für die Beibehaltung des JCPOA in seiner jetzigen Fassung ausgesprochen. Macron hat nur seine Bereitschaft signalisiert, das 120 Seiten lange JCPOA-Papier "um einige Punkte zu ergänzen".
Kommt es zu neuen Iran-Sanktionen durch die UN, an die auch Österreich gebunden wäre?
Da der Iran laut IAEA nicht gegen den Vertrag verstoßen hat, sind auch keine neuen UN-Sanktionen zu erwarten. Diese würden Russland und China ohnehin nicht mittragen. Die EU, darunter auch Österreich, spricht sich aber klar gegen neue Strafmaßnahmen aus.
Welche Rolle spielen Israel und Saudi-Arabien?
Falls der Atom-Deal tatsächlich annulliert wird, würden sich die Führungen in Tel Aviv und Riad die Hände reiben, da sie den Iran international isoliert sehen wollen. Die sunnitischen Saudis kämpfen in der Region um die Vorherrschaft mit dem schiitischen Iran, der seine Fühler in den Iran, in den Jemen, in den Libanon und nach Syrien ausstreckt. Premier Benjamin Netanjahu sieht die Existenz Israels durch den Iran gefährdet.