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Kim Jong-un präsentiert sich am liebsten gnadenlos

Von Stefan Haderer

Gastkommentare
Stefan Haderer ist Kulturanthropologe und Politikwissenschafter.

Und die Hoffnung, dass es in Nordkorea mit Kim Jong-ils Sohn besser werde, verblasst immer mehr. Doch auch der neue Führer hat daheim viele Feinde.


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"Egal, wie viel Wasser unter der Brücke fließt, und egal, wie oft eine Generation durch eine neue ersetzt wird, die Paektu-Linie wird unverändert und unersetzbar bleiben." Dies verkündete die Nachrichtenagentur KCNA - Nordkoreas einziges Sprachrohr in die Außenwelt - kurz nach der Exekution von Jang Song-taek vor einigen Tagen. Die Paektu-Linie meint alle direkten Nachkommen des legendären Staatsgründers Kim Il-sung, dessen Enkel Kim Jong-un seit zwei Jahren das isolierte Land mit eiserner Faust regiert, wobei er nicht einmal davor zurückschreckt, seinen eigenen Onkel seiner Doktrin zu opfern.

Umso überraschender ist die Nachricht, dass Jangs Frau Kim Kyong-hui, die Schwester des verstorbenen "geliebten Führers" Kim Jong-il, die Säuberungsaktion ihres gnadenlosen Neffen völlig ungestraft übersteht und sogar Ehrenmitglied des Bestattungskomitees sein darf. Blut ist eben doch dicker als die Bande der Staatsideologie, die Kim Jong-un durch seinen scheinbar reformfreudigen Rivalen Jang bedroht sah. Dessen plötzliche Hinrichtung mag die Welt schockiert haben, außenpolitisch wird die Aktion jedoch wohl kaum Auswirkungen haben. Selbst in Peking spricht man nur von einer "internen Angelegenheit".

Eine Zeit lang hegte man die Hoffnung, Nordkorea könne sich seit Kim Jong-uns Machtübernahme zumindest wirtschaftlich ein wenig öffnen. Dafür war Jang Song-taek eingetreten, indem er sich für die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen in China, für ausländische Direktinvestitionen und eine Exporterhöhung starkmachte. Dieser (für Nordkorea recht eigenwillige) Weg scheint ihm nun zum Verhängnis geworden zu sein, denn Kim Jong-un - nicht weniger paranoid als sein Vater Kim Jong-il - fürchtete die Machtzunahme seiner Grauen Eminenz, wie Jang oftmals bezeichnet wurde. Und die Hoffnung, dass es mit dem dritten "geliebten Führer" besser werde als unter dem öffentlichkeitsscheuen Kim Jong-il, verblasst immer mehr.

Kim Jong-un, der Lichtblick eines hungernden Volkes, dessen Charisma viele an seinen Großvater Kim Il-sung erinnert, hatte seinen Nachbarn bereits wenige Monate nach seiner Amtseinführung mit Militärschlägen gedroht. Sein Hass auf Südkorea, Japan und die USA macht die Annäherungspolitik, die sein Vater zeitweise angedeutet hatte, zunichte.

Langsam wird der Kreis der Getreuen um Kim Jong-un enger. Glaubt man den nordkoreanischen Propagandamedien, so war es Jang angeblich gelungen, eine große politische Anhängerschaft für sich zu gewinnen. Menschen also, die jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit in eines der vielen Arbeitslager geschickt oder ebenso hingerichtet werden. Welche Möglichkeit bleibt dem jungen Herrscher mit den Drohgebärden in seiner Isolation dann noch, außer die Beziehungen zu China weiter aufrechtzuerhalten? Die Welt hofft, dass er dank seiner Abhängigkeit vom Ausland vernünftig handeln und von Militärgewalt absehen wird. Ein interner Regimewechsel ist nach den aktuellen Ereignissen aber nicht länger auszuschließen, denn auch ohne Jang hat Kim Jong-un viele Feinde.