Der renommierte Nordkorea-Experte Lee Seong-hyon meint, dass der Diktator wohlauf ist. Und nennt dafür gute Gründe.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Seoul/Wien. Südkorea will den Spekulationen um Kim Jong-un nun einen Riegel vorschieben. Wilde Gerüchte über das mögliche Ableben von Nordkoreas Diktator haben am Wochenende die Runde gemacht. So haben asiatische Medien kolportiert, dass dieser nach einer Herzoperation verstorben sei oder zumindest um sein Leben ringe. Angeheizt wurden diese Spekulationen auch von der Nachricht, dass offenbar chinesische Ärzte nach Nordkorea gereist sind - was allerdings noch nichts über Kims Gesundheitszustand aussagt.
Kim Jong-un ist wohlauf, verkündete nun Südkorea. Die Regierung hatte in der Hauptstadt Seoul internationale Medienvertreter versammelt. Südkoreas Wiedervereinigungsminister Kim Yeon-chul verwies dabei darauf, dass die Regierung genügend Material gesammelt habe, um mit Sicherheit sagen zu können, dass es keine Hinweise darauf gebe, dass sich im Nachbarland Ungewöhnliches ereignet hätte.
Sollte der Verdacht entstehen, dass es in Nordkorea einen Sicherheitsalarm gebe, beobachtet Südkorea ganz genau drei Dinge, berichtet der "Wiener Zeitung" Lee Seong-hyon, Politanalyst vom Sejong-Institut, einer Denkfabrik in Seoul. Erstens, ob Nordkoreas Militär an der Grenze zu Südkorea in höhere Alarmbereitschaft versetzt wurde. Zweitens, ob es irgendwelche Bewegungen unter den 25.000 Mann starken Verteidigungskräften der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang gibt. Drittens, ob man sonst auffällige Informationsflüsse aus Pjöngjang abfängt. Hinzu kämen auch noch Aufklärungsflüge der in Südkorea stationierten Streitkräfte der US-Armee. "Bei all dem ist nichts Auffälliges beobachtet worden", betont Lee.
Auch dass sich Nordkoreas Staatschef für längere Zeit nicht öffentlich hat blicken lassen, habe laut Lee noch nicht allzu viel zu bedeuten. Kim verschwindet nämlich immer wieder für einen längeren Zeitraum von der Bildfläche - allein dieses Jahr hat er sich schon vier Mal für mindestens zehn Tage nicht gezeigt.
Kim könnte Corona fürchten und sich isoliert haben
Zuletzt öffentlich aufgetreten ist der 36-Jährige am 11. April beim Treffen des Politbüros der KP. Als am folgenden Tag der Oberste Volkskongress tagte, war Kim nicht anwesend. Bei dieser Sitzung kamen rund 700 Abgeordnete zusammen. Niemand trug eine Gesichtsmaske - hat Nordkorea doch erklärt, dass es im Land keine Covid-19-Erkrankungen gebe. Das könnte aber genau so gut Propaganda sein. "Es ist daher denkbar, dass Kim einen möglichen Ausbruch von Covid-19 fürchtet und sich selbst in Isolation begeben hat, indem er Pjöngjang verlassen und sich nach Wonsan, eine Stadt am Meer im Osten des Landes, zurückgezogen hat", sagt Lee.
Der international renommierte Nordkorea-Experte will zwar nicht ausschließen, dass Kim erkrankt sei. "Aber nichts deutet darauf hin, dass es sich um etwas Ernsthaftes handelt." Wegen all dieser Gründe meint Lee, "dass sich Kim wohl bald wieder öffentlich zeigen wird".
Willst du diesen Inhalt sehen? Gib den anderen Cookies grünes Licht.
Gleichzeitig ändert das aber nichts daran, dass der übergewichtige, schwere Raucher Kim Gesundheitsprobleme hat. Und dass ein Machtvakuum in Nordkorea auch international wohl für heftige Turbulenzen sorgen würde -ist der Staat doch eine Atommacht.
Lee verweist dabei auf einen besonders heiklen Punkt. Gerade in der Nordkorea-Frage sollten die USA und China, die Schutzmacht Nordkoreas, kooperieren. "Aber das geschieht offenbar nicht."