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Kims Pilgerreise nach Peking

Von Thomas Seifert

Politik

Wirtschaftszusammenarbeit und Investitionen strehen im Vordergrund.


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Pjöngjiang/Wien. Kim Jong-un, seit dem Tod seines Vaters Kim jong-il im Dezember 2011 Machthaber in Nordkorea, bereitet seine erste Auslandsreise in seiner neuen Rolle vor. Dass die Fahrt ins Reich der Mitte gehen soll, überrascht dabei nicht, China ist derzeit Nordkoreas einziger Verbündeter und Investor in der Region.

Während der Regierungszeit der eher links stehenden südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung und dessen Nachfolger Roh Moo-hyeon investierte auch Südkorea kräftig beim Nachbarn im Norden. So entstand etwa der Industriepark Kaesong im Grenzgebiet zwischen Nord- und Südkorea. Der Aufbau von Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden koreanischen Nachbarn sollte die "Sunshine-policy", die "Sonnenschein-Politik" der Präsidenten Roh Moo-hyeon und Kim Dae-jung unterstützen, die eine Normalisierung der Beziehungen anstrebte.

Die für kommenden Monat geplante Reise des jungen Machthabers Kim wäre die erste Auslandsreise, seit er an der Spitze des kommunistischen Staates steht.

Kim Jong-un wolle bei seiner Reise die chinesische Führung kennenlernen und sich selbst in der Volksrepublik vorstellen, sagte eine Person mit guten Kontakten nach Peking und Pjöngjang am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters.

China ist bezüglich der Entwicklung auf der koreanischen Halbinsel auf eines bedacht: Peking will keine Instabilität in Nordkorea und die politische Führung im Regierungssitz Zhongnanhai weiß, dass das Land ohne wirtschaftliche Reformen kollabiert. Die Chinesische Kommunistische Partei versuchte daher bereits Kim jong-uns Vater Kim jong-il vergeblich von der Notwendigkeit wirtschaftlicher Reformen zu überzeugen. Bei dessen China-Aufenthalten führte man ihn durch die Sonderwirtschaftszone in Shenzhen - wo Deng Xiaopings Reformen ihren Anfang genommen haben.

Der Onkel des nordkoreanischen Machthabers, Jang Song Thaek, traf Mitte August in Vorbereitung der Reise von King jong-un den chinesischen Handelsminister Chen Deming in Peking. Die chinesische Seite versprach, bei der Entwicklung von zwei Sonderwirtschaftszonen an der chinesisch-koreanischen Grenze behilflich zu sein. Schon jetzt existieren zwei gemeinsam betriebene derartige Sonderwirtschaftszonen: In der Grenzstadt Rason und auf den im Grenzfluss Yalu gelegenen Inseln Hwanggumphyong und Wihwa.

Nach Meinung von Beobachtern möchte Nordkorea seine Wirtschaft zwar nach außen öffnen, dabei aber möglichst wenig Reformen durchführen. Das sei auch der Grund, warum Pjöngjang besonders auf Sonderwirtschaftszonen setzt.

Cho Bong Hyun vom IBK Economic Research Institute in Seoul sagte gegenüber dem Wirtschaftsmagazin "Bloomberg Businessweek", dass Rason offenbar zu einer Handelsdrehscheibe entwickelt werden und auch den benachbarten chinesischen Provinzen einen Zugang zum Meer bieten soll.

Kims Onkel Jang soll Peking laut der südkoreanischen Zeitung "Chosun Ilbo" für die Finanzierung der Projekte um einen langfristiges Darlehen in Höhe von rund einer Milliarden Dollar gebeten haben. Doch bei dem Besuch des 66-jährigen Onkels von Machthaber Kim jong-un ging es nicht nur um Wirtschaftsprojekte: Jang traf laut Angaben der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap vor seiner Rückkehr am 18. August auch den chinesischen Präsidenten Hu Jintao und Premier Wen Jiabao, was schon damals Spekulationen Nahrung gab, dass der Besuch der Vorbereitung eines späteren Besuchs von Kim jong-un dienen könnte.

Lernen von Myanmar?

China ist für 89 Prozent des Nordkoreanischen Außenhandels verantwortlich. "Nordkoreas wirtschaftliche Abhängigkeit ist auf einem bisherigen Höhepunkt angelangt, aber Kim jong-un will größere Unabhängigkeit von Peking", analysiert Stephanie Kleine-Ahlbrandt, Nordkorea-Expertin bei der Brüsseler Denkfabrik International Crisis Group.

Kleine-Ahlbrandt argumentiert, dass China Nordkorea zwar massiv unterstützt, dafür aber relativ bescheidene strategische und wirtschaftliche Gegenleistung erhalten habe.

Parallelen zu Myanmar drängen sich auf: Was, wenn die neue nordkoreanische Führung einen weniger konfrontativen Kurs gegenüber dem Westen und Südkorea einschlägt? Zumindest aus wirtschaftlicher Sicht wäre es nämlich profitabler für die nordkoreanische Seite, wenn man Alternativen zum bisherigen Monopol-Partner Peking hätte.

Zuletzt hat es genau danach ausgesehen: Kim jong-un hatte nämlich Emissäre nach Singapur, Indonesien, Laos, Vietnam und Myanmar ausgesandt, um dort für Investitionen in Nordkorea und verbesserte Handelsbeziehungen zu werben. Mit dem Besuch von Kims Onkel Jang Song Thaek Mitte August und dem offenbar für September geplanten Besuch von Kim selbst soll nun China beruhigt werden.

Alle wollen den Status quo

Was die weitere Entwicklung auf der koreanischen Halbinsel betrifft, kann man davon ausgehen, dass alle Seiten die Beibehaltung des Status quo wollen. Nordkorea muss im Falle einer Wiedervereinigung mit einem Regime-Change rechnen, Südkorea müsste horrenden Wiedervereinigungskosten fürchten. Japan hätte wohl keine rechte Freude mit einem wirtschaftlich starken, wiedervereinigten Konkurrenten und die USA hätten im Fall einer Wiedervereinigung keine völkerrechtliche Basis für eine anhaltende Truppenstationierung auf koreanischem Boden. Und China: China müsste fortan mit einem mehrheitlich pro-westlichen wiedervereinigtem Nachbarn direkt an seiner Grenze leben.