Ein Tiroler Urteil verletzt Kinderrechte und höhlt das Verbot der Leihmutterschaft in Österreich aus.
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Ein Tiroler Bezirksgericht hat geurteilt, dass ein österreichisches Paar, das eine Leihmutter in der Ukraine bezahlt hatte, prinzipiell auch als Eltern des Kindes anzuerkennen sei. Der Grundsatz "Mater semper certa est" - demzufolge also die Mutter diejenige ist, die das Kind ausgetragen hat - wird damit ausgehebelt. Jene Frau, die über neun Monate hindurch eine tiefe Bindung zu diesem Kind aufgebaut hat, wird auf eine Art Brutkasten reduziert und entpersonalisiert. Medien berichteten, dass damit das Recht von Eltern gestärkt werde. Zynischerweise wurde auch noch angemerkt, dass Kliniken in der Ukraine, die Leihmutterschaft anbieten, "kommerziell erfolgreich" seien. Offenbar ist heutzutage alles ein Geschäft und eine Ware - auch Kinder.
Bei diesem Urteil geht es auch nicht in erster Linie um Rechte von Erwachsenen, sondern dass das Kinderrecht auf eindeutige Zuordnung von Elternteilen einzuhalten ist. In diesem Urteil werden jedoch auch Kinderrechte verletzt und das nationale Verbot der Leihmutterschaft in Österreich wird ausgehöhlt. Leihmutterschaft ist aus guten Gründen verboten: Die Praxis widerspricht der Würde des Kindes und der Frau. Die Kinderrechtskonvention und ein Zusatzprotokoll halten fest, dass ein Kind das Recht hat, nicht gegen Geld gehandelt zu werden, und zwar egal zu welchem Zwecke. Zudem hat es das Recht auf Kenntnis seiner Herkunft und Entstehung. Da es weder staatliche noch internationale Datenregister dazu gibt, sind Jugendliche darauf angewiesen, sich an private Kliniken zu wenden, die in vielen Fällen schlicht nicht kooperieren und die Einsicht der Daten der Leihmutter beziehungsweise Eizellenspenderin verweigern. Alle Staaten der Erde, mit Ausnahme der USA, haben diese internationalen Papiere anerkannt. Auch die Ukraine sollte sich daran halten, tut es aber nicht. Dort gibt es besonders unwürdige Angebote geschäftstüchtiger Privatkliniken: Es gibt Pauschalangebote von bis zu 60.000 Euro, mit "100 Prozent-Baby-Garantie", was nichts anderes bedeutet, als dass sowohl Leihmutter als auch Eizellenspenderin - falls eine nötig ist - so lange ausgetauscht werden können, bis eine Schwangerschaft hält und ein Kind geboren wird. Gentests wie die Präimplantationsdiagnostik inklusive Geschlechterselektion, pränatale Untersuchungen und Kaiserschnitt sind Standardvorgaben in Leihmutterschaftsverträgen, wo das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren ausgesetzt ist. Den Großteil des vereinbarten Honorars bekommt die Frau selbstverständlich erst dann, wenn ein Kind "geliefert" wird, und zwar ein gesundes. Alle Kenntnisse über pränatale Bindung werden ignoriert, ein Beziehungsabbruch wird geplant und in Kauf genommen.
Da die Fortpflanzungsmedizin in den vergangenen Jahren eine ungeahnte Kommerzialisierung erfahren hat, wäre es hoch an der Zeit, dass der Gesetzgeber das Verbot der Leihmutterschaft stärkt. Falls Österreich die Kinderrechte ernst nimmt, sollte sich die zukünftige Regierung für ein globales Verbot der Leihmutterschaft und von anonymen Keimzellenspenden einsetzen.