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Wie kulturelle Herkunft und Bildung im Körperverständnis zusammenspielen.
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Norwich/Wien. Schon kleine Kinder verstehen, dass ihr Körper sie am Leben erhält. Britische Forscher haben herausgefunden, dass bereits Fünfjährige in der Lage sind, die lebenserhaltenden Funktionen von Organen zu begreifen und den Unterschied zwischen Leben und Tod zu erkennen.
Die Wissenschafter der University of East Anglia (UEA) wollten herausfinden, ab welchem Alter Menschen biologisches Verständnis demonstrieren. Dabei berücksichtigten sie auch die Einflüsse von Bildung, kulturellem Hintergrund und Religion. Wie sich zeigte, nehmen Kinder bereits zwischen fünf und sieben Jahren entscheidende Unterschiede zwischen Leben, Tod und den lebenserhaltenden Funktionen wahr. Bisher hatte man angenommen, dass solche Konzepte erst zwischen sieben und zehn Jahren begriffen werden.
Für ihre im "British Journal of Developmental Psychology" veröffentlichte Studie befragten Georgia Panagiotaki und Gavon Nobes 188 Kinder, darunter 82 Vier- und Fünfjährige und 106 Sechs- und Siebenjährige. Zusammengesetzt war die Gruppe der kleinen Testpersonen aus weißen Briten, britischen und pakistanischen Muslimen. Sie alle hatten ein ähnliches Verständnis vom Konzept Leben, ob sie nun in England aufgewachsen waren, das einen im internationalen Vergleich relativ hohen Bildungsstandard hat, oder auf dem Land in Pakistan mit wenig Zugang zu Bildung. Bildungsniveau und kulturelle Herkunft machten jedoch sehr wohl einen Unterschied für das Verständnis von lebenserhaltenden biologischen Funktionen.
So erwiesen sich Kinder, in deren Umfeld Haustiere aus rituellen oder religiösen Gründen geopfert werden, als besser ausgerüstet für ein Grundverständnis von Herz-, Gehirn- oder Magenfunktionen. Britische Kinder, deren Fleisch aus dem Supermarkt kommt, brauchten dagegen länger, um ein solches Grundverständnis zu entwickeln. Hatten sie die Organ-Funktionen jedoch einmal begriffen, konnten sie diese besser erklären und ihr Verständnis im Schulunterricht vertiefen. Bei jenen Kindern aus Pakistan, die keine Schulbildung erhielten, vertieften sich Verständnis und Begriffsverwendung hingegen kaum mit dem Alter. "Kleine Kinder können viel mehr begreifen, als wir annehmen. Sie können ihr Wissen nur nicht wiedergeben oder erweitern ohne die richtigen Anleitungen und Erklärungen", schreibt Panagiotaki.
Die Forscher waren davon ausgegangen, dass auch Religion einen Einfluss hätte. Britische Muslime demonstrierten jedoch mehr Ähnlichkeiten mit weißen Briten als mit ihren Glaubensgefährten aus Pakistan, was laut den Forschern auf einen geringen Einfluss von Religion hindeutet.