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Kinder verlängern das Leben

Von WZ- Korrespondent André Anwar

Wissen

Psychologischer Effekt des Elternseins wurde unterschätzt. | "Wer von anderen Menschen gebraucht wird, stirbt nicht." | Stockholm. Kinder sollen ja bekanntlich glücklich machen. Aber dass sie ihren Eltern trotz oder gerade wegen all der Sorgen und Ärgernisse, die sie ebenso unvermeidlich mit sich bringen, auch ein bedeutend längeres Leben bescheren, ist neu. Forscher der Universität Oslo haben nun aber genau das herausgefunden: Müttern im Alter von 45 bis 68 Jahren attestierten die Wissenschafter ein um 50 Prozent niedrigeres Sterblichkeitsrisiko als kinderlosen Frauen der gleichen Altersgruppe. Bei den Vätern lag das Sterblichkeitsrisiko immerhin um 35 Prozent niedriger.


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Für die kürzlich im "American Journal of Epidemiology" veröffentlichte Studie haben die Forscher Daten der demografischen Datenbank Norwegens ausgewertet. Erfasst wurden 1,5 Millionen Personendaten der Altersgruppe, etwa je zur Hälfte männlich und weiblich, im Zeitraum von 1980 bis 2003.

Der statistische Zusammenhang zwischen Familienleben und Sterblichkeit sei "deutlich", sagt Oystein Kravdal, Demografie-Professor und Co-Autor der Untersuchung. "Über die Ursachen dieses Zusammenhangs wissen wir allerdings nicht so viel."

Dass Frauen, die Kinder haben, davon auch gesundheitlich profitieren, ist bereits länger bekannt. Sie erkranken beispielsweise seltener an Brust- oder Eierstockkrebs als Frauen ohne Kinder. Davon können Männer naturgemäß kaum profitieren. "Der Effekt, dass auch Väter ein niedrigeres Sterblichkeitsrisiko haben, könnte darauf hindeuten, dass der psychologische Effekt von Vater- oder Mutterschaft bislang unterschätzt wurde", sagt Kravdal.

Kinder geben Sicherheit

Zum einen führe die Existenz von Kindern bei Vätern und Müttern meist zu einem veränderten Lebensstil. "Überspitzt ausgedrückt: Wer von anderen Menschen gebraucht wird, stirbt nicht", formuliert der Forscher. Zudem fühlten sich Eltern auch im Alter weniger allein und sicherer als Kinderlose. Kinder kümmerten sich in Notsituationen schließlich meist um ihre Väter und Mütter. Hinzu komme, dass viele Kinderlose nicht verheiratet seien. Auch das Fehlen dieses Sicherheitsmoments könne ein Teil der Erklärung sein, sagt Kravdal.

"Was die Studie so interessant macht, ist, dass sie auch für Väter eine niedrigere Sterblichkeit belegt. Gerade ältere Männer mit Kindern haben offenbar eher eine Motivation, sich fit zu halten", sagt Per Magnus vom norwegischen Gesundheitsamt.

Beweis steht aus

"Auch andere Studien aus jüngerer Zeit kamen bereits zu dem Ergebnis, dass Männer mit Kindern vorsichtiger im Umgang mit sich selbst sind und insgesamt auch weniger Risiken eingehen. Vor Jahren habe beispielsweise eine Studie der Universität Oslo ergeben, dass die Überlebensrate von Krebskranken mit Kindern höher sei als die kinderloser Patienten, sagt Oystein Kravdal. "Vieles deutet darauf hin, dass es eine Wechselwirkung gibt, aber beweisen können wir dies nicht, trotz des deutlichen statistischen Zusammenhanges."

Dass christlich-konservative Werte, die Ehe und Familie gerne in den Mittelpunkt des Lebenssinns rücken, nun auch wissenschaftliche Rückendeckung erhalten könnten, will Kravdal so nicht bestätigen. In Ländern, die über weniger stark ausgeprägte soziale Sicherungssysteme verfügten, steige das Sterblichkeitsrisiko bei Eltern zum Teil sogar an - etwa wenn die Zahl der Kinder in der Familie hoch und Vater und Mutter zugleich von Armut bedroht seien, sagte Kravdal. Als Beispiel nannte er Großbritannien.

"Am wichtigsten, glaube ich, ist an der unserer Studie, dass psychologische Aspekte wie Sicherheit und das Gefühl, gebraucht zu werden, bei Sterblichkeitsuntersuchungen bislang vernachlässigt wurden", sagt Kravdal.