Experte: Bei 6- bis 8-Jährigen ist noch etwas zu erreichen. | Endokrinologie und Kardiologie: Neue Spezialfächer in der Pädiatrie. | Wien. Adipositas, Allergien, Diabetes, Nikotin- und Alkoholmissbrauch nehmen weltweit epidemische Ausmaße an. Es gilt daher, Kinder und Jugendliche davor zu schützen und vermehrt auf Prävention zu setzen. Die Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) fordert daher Gesundheitsförderung als neues Unterrichtsfach an Volksschulen.
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Gerade bei 6- bis 8-Jährigen "kann man noch etwas erreichen", sagt Univ.-Prof. Wilhelm Müller, Vorstand der Uni-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde Graz, anlässlich der 45. ÖGKJ-Jahrestagung in Wien. Denn: "Ab zehn Jahren sind präventive Maßnahmen nicht mehr wirksam. Das Problem ist, dass viele Kinder im frühpubertierenden Alter bereits Alkohol konsumiert haben."
Diabetes Typ 2
Eine kommende Herausforderung in der Pädiatrie stellt Diabetes Typ 2 (Altersdiabetes) dar. Der Anstieg der Erkrankungen steht im Zusammenhang mit der Adipositasepidemie im Westen, betont der Endokrinologe Peter Blümel. Bei uns findet sich diese Form noch selten, in den USA macht sie bis zu einem Viertel der kindlichen Diabetesfälle aus. Auch hier müsste Prävention im Vordergrund stehen.
Im Bereich der Endokrinologie (Hormonstörungen) widmen sich die Experten Wachstumsstörungen und dem daraus resultierenden Kleinwuchs. In den letzten Jahren habe sich hier die relativ kostenintensive Wachstumshormontherapie etabliert, betont Blümel.
Mehr Lebensqualität
Fortschritte werden auch in der Kardiologie verzeichnet. Rund 600 Kinder kommen jährlich mit einem Herzfehler zur Welt. Jedoch gibt es keinen, "der nicht operier- oder therapierbar ist", betont die Kardiologin Doris Ehringer vom Preyer´schen Kinderspital. So hat sich der Herzkatheter zu einem Therapiemittel entwickelt, mit dem kleine Löcher zwischen den Herzkammern verschlossen werden. Auch in der Behandlung von schwer einstellbaren Herzrhythmusstörungen hat sich der Katheter bewährt. "Die Aufgaben der Kinderkardiologie heute ist es, herzkranken Kindern das Überleben mit Lebensqualität zu sichern."
Schlaf und Allergien
Ein "relativ kleines Kind in der Pädiatrie" ist die Schlafmedizin, erklärt Dr. Simone Weiss vom Preyer´schen Kinderspital. Doch leidet ein Viertel der Kinder und Jugendlichen an Schlafstörungen. Erholsamer Schlaf ist aber die Voraussetzung für eine normale körperliche und psychische Entwicklung. Goldstandard der Diagnostik ist die Polysomnographie, eine aufwendige Untersuchung im Schlaflabor. Doch verfügt Österreich über zu wenig vollwertig ausgestattete pädiatrische Schlaflabors.
Keine Seltenheit stellen heute auch Allergien dar. Univ.-Prof. Zsolt Szépfalusi kritisiert aber, dass zu wenig richtige Diagnosen erstellt werden und damit in vielen Fällen keine adäquate Behandlung erfolgt. Als neue Ära in der Therapiemöglichkeit sieht er die Prävention. Im Rahmen einer Studie werden derzeit allergievorbeugende Maßnahmen in Form einer Schluckimpfung ausgetestet. Damit soll bei allergiegefährdeten Kindern das Fortschreiten bzw. die Ausprägung einer Allergie verhindert werden.
Medikamente für Kinder
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, so die Experten. Daher sei, angesichts der Tatsache, dass immer mehr Kinder Krankheiten des Alters entwickeln, die Versorgung mit kindgerechten Medikamenten sicherzustellen. Nur 20 Prozent der im Einsatz befindlichen Arzneien seien für Kinder ausgetestet, erklärt Univ.-Prof. Wilhelm Kaulfersch vom LKH Klagenfurt. Doch sei ein EU-Gesetz in Ausarbeitung, das vorsieht, dass sowohl neue Präparate an Kindern erforscht als auch alte nachgetestet werden.