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Kinder, wie die Zeit vergeht!

Von Christoph Irrgeher

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Meinungsforschung ist eine tolle Sache. Mit Ehrgeiz angewandt, kann sie in die Tiefenschichten des Wertgefüges dringen. Andererseits kratzt so mancher "Forscher" kulinarisch an der Oberfläche, um den schwachbrüstigen Befund dann - tara! - als Pressemeldung zu verschicken. Ein Meister in dieser Wir-haben-zwar-fast-nix-herausgefunden-aber-sagen-es-dafür-laut-Disziplin scheint die Firma Marketagent.com zu sein. Ihre jüngste Tat: Sie hat 1000 Österreicher nach deren subjektiver Zeitwahrnehmung befragt.

Nun ist das an sich ein reizvolles Thema. Könnte es sein, dass dieses Sensorium vom Medienbombardement verformt wird? Stimmt es, dass die Uhr für ältere Menschen scheinbar schneller tickt (weil sie, so die traurige These, einfach weniger Neues erleben)?

So wissensdurstig waren die Marketagenten aber freilich nicht. Sie haben Österreich nur mit zwei Fragen behelligt, nämlich: "Die letzten zehn Jahre fühlten sich an wie . . ?" Mehrheitliches Ergebnis (obwohl man da auch antworten konnte: "wie zehn Jahre"): drei bis fünf. Und die andere Frage: "Ganz allgemein vergeht die Zeit . . ?" Top-Antwort: sehr schnell. Aha.

Der Pressetext überhöht diesen dürren Befund dann nachgerade ins Groteske: Er sieht den Österreicher wegen seines subjektiven Zeitschwundes tatsächlich - "auf der Überholspur".

Ach du liebe Zeit! Wenn schon unfreiwillig-fröhliche Wissenschaft, dann doch bitte zu einem banaleren Themen. Hier auch schon der nächste Fragebogen: "Ganz allgemein finden Sie das Wetter . . ." a) zu kalt b) viel zu heiß oder c) frei nach einem Wiener Spruch: Für mi bräucht’s goa ka Wetter gebn.