Justizministerin plant gesetzliche Verankerung. | Positives Resümee der Richter, aber auch Skepsis. | Wien. Es war eine schreckliche Szene, als Gerichtsvollzieher versuchten, den um sich schlagenden, schreienden achtjährigen Christian Wildner in Salzburg in ein Polizeiauto zu zerren. Der Bub, ein Scheidungskind, sollte weg von seinem Vater zu seiner Mutter nach Schweden gebracht werden, die die Obsorge über ihn hatte.
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Die Geschichte, die sich vor ein paar Jahren abgespielt hat, erschütterte ganz Österreich und war Anlass für das Modellprojekt Kinderbeistand, das darauf abzielte, die Situation für Kinder in eskalierenden Scheidungskonflikten zu verbessern. Nach einer rund zweieinhalbjährigen Versuchsphase ist das Projekt nun ausgelaufen und wurde evaluiert. Geht es nach Justizministerin Maria Berger, soll der Kinderbeistand jetzt in Gesetzesform gegossen werden.
Mehr als ein Anwalt
Der Kinderbeistand ist ein Sprachrohr des Kindes und soll dieses in Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren unterstützen. Seine Rolle geht dabei über ein Anwalt-Mandant-Verhältnis hinaus, erklärt Christa Pelikan vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das Verfahren stünde zwar im Mittelpunkt, es ginge aber auch um die psychologische Seite. Im Modellprojekt war deshalb vorgesehen, dass der Kinderbeistand auch aus einem psychologischen Berufsfeld kommt. Er ist aber nicht als Therapeut zu verstehen.
Ob ein Kinderbeistand bestellt wird oder nicht, liegt letztlich beim Richter. Eltern oder Familienberatungsstellen können lediglich Vorschläge machen, denen der Richter aber nicht folgen muss. Nur, wenn das Kind keinen Beistand möchte, "dann geht es nicht", sagt Pelikan, die eine Begleitstudie über das Modellprojekt durchgeführt hat. In dem Modellprojekt sei dies einmal der Fall gewesen - "eine Ausnahme", meint Pelikan.
Vorgesehen ist der Kinderbeistand für Kinder zwischen sechs und 18 Jahren. Der Durchschnitt lag bei dem Modellprojekt laut Pelikan bei zehn Jahren.
Anfängliche Bedenken
Die Erfahrungen an den insgesamt 28 Bezirksgerichten, an denen der Kinderbeistand bisher erprobt wurde, sind grundsätzlich positiv, berichtet Pelikan. Zwar hätten die Richter anfangs Bedenken gehabt, einen Kinderbeistand zu bestellen, da sie befürchtet hätten, das Verfahren dadurch zu verkomplizieren. Nach den Anlaufschwierigkeiten war die Reaktion der Richter dann jedoch "überwältigend positiv", versichert Pelikan. "Die Richter waren damit näher bei den Kindern."
Der Familienrichter Peter Barth bestätigt die anfänglichen Berührungsängste mit dem Projekt. Er selbst, tätig am Bezirksgericht Liesing, habe schätzungsweise um die zehn Kinderbeistände innerhalb des Projektzeitraums bestellt. In ganz Wien gab es insgesamt 51 Bestellungen. Von den beiden verantwortlichen Ministerien, dem Justiz- und dem Familienministerium, war allerdings im Vorhinein eine Obergrenze für die Bestellung von Kinderbeiständen vorgesehen, so Pelikan.
Auch Wolfgang Filip, Vorsteher des Bezirksgerichts Salzburg, steht dem Kinderbeistand grundsätzlich positiv gegenüber, "wenn dieser nicht verpflichtend vorgesehen ist". An seinem Gericht wurde das Projekt ebenfalls erprobt.
Filip erklärt der "Wiener Zeitung", dass sich Kinder, die vor Gericht oder von einem Sachverständigen befragt werden, meist in einer sehr angespannten Situation befinden. Der Kinderbeistand hingegen besucht das Kind in dessen gewohnter Umgebung und spricht mit ihm unter anderen äußeren Umständen. "Da ist weniger Druck." Der Gerichtsvorsteher äußert aber auch Bedenken. "Meine Sorge ist, dass der Kinderbeistand Stellung bezieht", sagt er. Anders als ein Gutachter soll der Kinderbeistand lediglich die Interessen des Kindes zum Ausdruck bringen, darf diese aber nicht interpretieren.
Unüberschaubar
Heftige Kritik an dem Kinderbeistand kommt von der Rechtsanwältin und Familienrechtsexpertin Brigitte Birnbaum. "Ich halte wenig davon", sagt sie zur "Wiener Zeitung". Das Hinzuziehen eines weiteren Beteiligten würde die ohnehin schon komplexen Verfahren noch unüberschaubarer machen.
Das Kindeswohl sieht sie auch ohne Beistellung eines Kinderbeistands gesichert - durch den Richter, das Jugendamt und Sachverständige. "Ich halte es nicht für notwendig, noch einen Psychologen hinzuzuziehen", sagt Birnbaum.