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Psychosoziale Komponente wichtig. | Qualitätskriterien noch unklar. | Wien. Angst, Trauer, Wut und niemand, der zuhört - das ist die Situation vieler Scheidungskinder und jener, die im Begriff sind, solche zu werden. Abhilfe soll der Kinderbeistand schaffen. Ein Pilotprojekt dazu läuft hierzulande seit 1. Jänner 2006 und wurde erst kürzlich ausgeweitet.
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Ein Kinderbeistand unterstützt ein Kind im Pflegschaftsverfahren, also dort, wo es um Besuchsrechts- oder Obsorgeregelungen geht. In diesen Verfahren sind Kinder nicht nur betroffen, sie sind eigentlich die Hauptperson. Dennoch sind sie sicher nicht die Hauptakteure.
Anhörung nur selten
Kinder haben im Verfahren zur Besuchsrechtsregelung oder im Obsorgeverfahren gesetzlich festgelegte Anhörungsrechte. Sie können vom Richter geladen werden. "Solche Ladungen sind selten. In meiner zehnjährigen Praxis habe ich es erst einmal erlebt, dass eine Richterin die Kinder befragt hat", erzählt die Wiener Rechtsanwältin und Familienrechtsexpertin Ursula Xell-Skreiner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Sie hält eine Ladung auch nicht unbedingt für sinnvoll. Ähnlich sieht es der Familienrichter Franz Mauthner vom Bezirksgericht Floridsdorf. "Das Gesetz sieht zwar vor, dass Kinder zur Besuchsrechts- oder Obsorgeregelung zu hören sind, allerdings nur, wenn es auch Sinn macht", erklärt er. Oft könnten oder würden sich Kinder vor Gericht gar nicht artikulieren.
Deshalb hält Mauthner den Einsatz von Kinderbeiständen für "unverzichtbar". Dieser soll dem Kind zuhören, Vertrauen aufbauen und die Wünsche des Kindes herausfinden. Er begleitet das Kind zu Gerichts- und sonstigen Behördenterminen. Eingesetzt wird der Kinderbeistand erst ab einem gewissen Alter des Kindes. "Unter fünf Jahren können sich Kinder kaum artikulieren. Ein Kinderbeistand wäre hier zwecklos", erklärt Mauthner.
"Es geht nicht vorrangig darum, Rechte beinhart durchzusetzen", meint Monika Pinterits von der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien. Deshalb stünde auch die psychosoziale Ausbildung und nicht so sehr das Rechtswissen der Kinderbeistände im Vordergrund. Wie die Qualifikation der Kinderbeistände letztendlich ausschauen wird, ist jetzt noch nicht absehbar.
"Wir müssen erst abwarten, wie sich das Pilotprojekt entwickelt", heißt es auch aus dem Justizministerium. Zuerst sollte dieses im Juni 2007 auslaufen. Die Inanspruchnahme des Kinderbeistands ist bis dato jedoch weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Mauthner berichtet von nur vier Fällen, in denen der Kinderbeistand in Floridsdorf eingesetzt wurde. Auch die vom Justiz- und Sozialministerium zur Verfügung gestellten Mittel sind noch lange nicht ausgeschöpft.
Projektausweitung
Deshalb hat man das Projekt nicht nur bis zum Sommer 2008 verlängert; es wurde auch von den ursprünglichen vier auf insgesamt 28 Gerichte österreichweit ausgedehnt. Die Gründe für den mäßigen Einsatz glaubt Mauthner zu kennen: "Das Projekt durfte nur auf Neuverfahren angewendet werden. Diese brauchen aber eine gewisse Zeit, um anzulaufen. Außerdem gab es anfangs die Befürchtung, dass die Inanspruchnahme zu hoch sein werde." Deshalb war man bei dem Einsatz der Kinderbeistände vorsichtig. Nun sollen Kinderbeistände öfter und nicht nur bei hochstrittigen Fällen das Kind unterstützen. Über den Einsatz entscheidet der Richter von Amts wegen. "Wenn man den Eindruck hat, dass die Interessenskollision der Eltern groß ist und das Kind sich schwer artikulieren kann, wird mit Gerichtsbeschluss ein Kinderbeistand bestellt", erklärt Mauthner. "Manchmal kommt auch ein Hinweis vom Jugendamt", erzählt der Richter aus Erfahrung.
Der Kinderbeistand hat derzeit die Stellung eines Kollisionskurators. Diese besondere Form eines Sachwalters ist im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt und dann vorgesehen, wenn der gesetzliche Vertreter seine Vertretungsaufgabe wegen Interessenkollision nicht wahrnehmen kann. Gerade in Scheidungssituationen ist eine solche Interessenkollision der Eltern vorprogrammiert. Diese fungieren ja in aufrechter Ehe beide als gesetzliche Vertreter des Kindes. "Meistens haben die Eltern bei der Scheidung nur ihre eigenen Probleme vor Augen", bringt es Pinterits auf den Punkt. In solchen Fällen könne nur ein Kinderbeistand die Rechte des Kindes wahrnehmen. "Der Kinderbeistand ist auch als einziger dem Kind gegenüber zum Vertrauen verpflichtet", versichert Mauthner. Diese Verschwiegenheitspflicht ist in den Verträgen des Pilotprojekts festgehalten, müsse laut Mauthner aber auch in einem künftigen Gesetz garantiert werden.
Momentan wird der Kinderbeistand nur mit Einverständnis der Eltern bestellt. "Theoretisch ist die Bestellung aber auch gegen den Willen der Eltern möglich", meint Mauthner. Er weist jedoch darauf hin, dass zu dieser Frage letztendlich der Oberste Gerichtshof Stellung nehmen müsse. Auch für Erich Michael Stormann vom Justizministerium stellt die Regelung der Beistandsbestellung eine große Herausforderung dar. "Die gerichtliche Bestellung muss besser abgesichert werden", fordert er für die Zukunft. Damit spricht Stormann eben die problematischen Fälle an, in denen sich Eltern gegen die Beistandsbestellung wehren. Wie die gesetzliche Regelung dazu konkret ausschauen könnte, will Stormann jedoch nicht verraten.
Finanzierung fraglich
Im Rahmen des Pilotprojekts werden die Kinderbeistände von Vermittlungsstellen zur Verfügung gestellt. In Wien wird die Aufgabe von der Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien wahrgenommen. "Derzeit haben wir 20 Kinderbeistände ausgebildet", erzählt Pinterits. Noch werden die Beistände von den Ministerien bezahlt. Für die Zukunft denkt Pinterits institutionalisierte Vereine an, die vom Staat gefördert werden sollen. "Das kostet Geld, aber hier muss man investieren", so Pinterits.