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Kindergarten hebt Deutschniveau

Von Alexia Weiss

Politik

Mehr als 5000 Kinder erhalten Sprachförderung in Wiener Kindergärten. | Darunter auch 10 bis | 15 Prozent Kinder mit Deutsch als Erstsprache.


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Wien. Das verpflichtende Kindergartenjahr, das es seit 2010 gibt, habe zu "ganz deutlichen Verbesserungen" bei den Deutschkenntnissen angehender Erstklässler geführt, berichtet Rupert Corazza, Bezirksschulinspektor für den
17. Wiener Gemeindebezirk. Dies sei das Feedback der Direktoren nach den Schuleinschreibungsgesprächen. Bereits bei den diesjährigen Erstklässlern habe sich in Wien der beitragsfreie Kindergartenbesuch von 2009/10 bemerkbar gemacht, den etliche Eltern genützt hätten.

Hernals ist einer jener Wiener Bezirke, in denen manche Kindergartengruppen mehr als 90 Prozent Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache haben, berichtet Katrin Großauer, Projektleiterin der Stadt Wien für den Bereich Sprachförderung in Kindergärten. Ähnlich sei die Situation im 2., 10., 11., 15., 16., 20., 21. und
22. Bezirk. Großauer betont: Dass ein Kind eine andere Erstsprache habe, bedeutet aber nicht, dass es Deutsch nicht oder nur schlecht spreche.

Wie viele Kinder genau eine andere Muttersprache haben, wird offiziell nicht erhoben, berichtet Michaela Zlamal, Sprecherin von Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch. Großauer wie Zlamal heben allerdings hervor: 10 bis 15 Prozent der Kinder, die Sprachförderung erhalten, haben Deutsch als Muttersprache. Sie kommen meist aus sozial niedrigen Schichten, so Großauer. Insgesamt erhalten heuer wienweit 5258 Kinder Deutschförderung von 99 Sprachförderassistenten.

Von den Bis-zu-Dreijährigen werden derzeit in Wien rund 15.600 in einer Krippe betreut - das entspricht einem Anteil von etwas mehr als 30 Prozent. Rund 50.000 Drei- bis Sechsjährige besuchen einen Kindergarten - "das sind rund 100 Prozent", erzählt Zlamal. In Wien ist der Kindergarten für alle Altersgruppen beitragsfrei beziehungsweise gibt es bei privaten Kindergärten einen Zuschuss der Stadt. Kinder, die in den kommenden Jahren eingeschult werden, haben daher meist bereits mehrjährige Kindergartenerfahrung.

Sprachstandserhebungen an Wiener Kindergärten

Seit 2008 werden an Wiens Kindergärten Sprachstandserhebungen durchgeführt. Dafür wurde vom Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (Bifie) ein Beobachtungsbogen entwickelt. "Das ist kein Test - hier wird der Sprachstand vielmehr über einen bestimmten Zeitraum beobachtet", erzählt Großauer. Das passiere im Spiel, über konkrete Aufträge ("Bring mir bitte einen Stift!"), aber auch durch das Vorlesen von Geschichten und das Erzählenlassen des Gehörten.

"Wir beobachten sehr differenziert", betont Großauer. Kann das Kind seine Wünsche äußern? Wie sieht der Verbreichtum aus, wie der Satzbau? Kann Erlebtes erzählt werden? Wird das Verb gebeugt? ("Gestern bin ich nach Hause gegangen" versus "Gestern Hause gegangen" aber auch "Gestern bin ich nach Hause gegangt".) Darüber hinaus würden auch die Motorik, die sozial-emotionale und die kognitive Entwicklung des Kindes beobachtet, denn "das Kind besteht ja nicht nur aus Sprache".

Üblicherweise wird diese Erhebung im vorletzten Kindergartenjahr durchgeführt, bei jenen wenigen, die erst mit fünf Jahren in den Kindergarten kommen, sofort nach Eintritt. Dann gibt der Kindergarten den Förderbedarf an die Stadt Wien weiter. Zlamal betont, dass sich fast alle privaten Einrichtungen ebenfalls beteiligen. Sprachförderkräfte werden nur zugeteilt, wenn Spracherhebungen durchgeführt wurden.

Haben nur wenige Kinder in einer Gruppe Förderbedarf, dann übernehme das die Kindergartenpädagogin, sagt Großauer. Sind mehr Kinder betroffen, kommt ein Sprachförderassistent in den Kindergarten. Für jedes Kind sind dann wöchentlich mehrere Fördereinheiten vorgesehen, die entweder in der Kleingruppe oder in Form von Teamteaching im Rahmen des Kindergartenalltags stattfinden können. Ganz bewusst werde in Wien nicht nach einem bestimmten Programm vorgegangen, betont Großauer. Jedes Kind bringe einen anderen Sprachstand mit, es müsse individuell betreut werden.

Bei Kindern, deren Deutsch sich so gar nicht entwickeln will, sei es oft ratsam, sich den Sprachstand in der Erstsprache anzusehen, berichtet die Sprachförderungsleiterin. Oft sei eine schlechte Entwicklung in der Muttersprache schuld daran, dass sich die Kinder auch beim Deutscherwerb schwer tun. Leider gebe es dazu keine institutionalisierte Spracherhebung, bedauert Großauer. Mehrsprachige Kindergartenpädagoginnen oder Sprachförderassistentinnen könnten aber im Einzelfall einspringen und sich diese Kinder genauer ansehen.

Quereinsteiger werden erstin der Volksschule gefördert

Zwei Drittel der Kindergartenkinder mit Förderbedarf konnten bisher im Rahmen des 2008 eingeführten Wiener Sprachfördermodells an die Schulreife herangeführt werden, sagt Zlamal. Jene, die noch nicht dem Unterricht folgen können, werden in den Vorschulen weitergefördert. Corazza merkt allerdings an, dass heuer weit weniger Kinder aus sprachlichen Gründen einer Vorschulklasse zugewiesen wurden als in den Jahren zuvor. Eine solche Klasse ist eigentlich für Kinder gedacht, die noch nicht schulreif sind, weil sie körperlich oder geistig für die erste Klasse nicht geeignet sind.

Eine Gruppe gibt es freilich, die nicht unter die Kindergartenpflicht fällt und damit im Herbst gänzlich ohne Deutschkenntnisse ins Wiener Schulsystem einsteigt: die sogenannten Quereinsteiger. Sie sind eben nach Österreich gekommen und melden sich erst in den Sommermonaten, bis in den August hinein, beim Stadtschulrat, sagt Corazza. Bei ihnen muss wie bisher die Sprachförderung in der Volksschule erfolgen.