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Kindergärtner statt Elektrotechniker: SPÖ-Visionen für die Jobs der Zukunft

Von Stefan Melichar

Analysen

60.000 Jobs sind wegen der Wirtschaftskrise in der heimischen Industrie bisher verloren gegangen, 50.000 davon wohl auf Nimmerwiedersehen - so lautet der nüchterne Befund von Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Grund dafür sei der Abbau von Überkapazitäten in der Autoindustrie. Letztere werde nach der Krise nicht zum alten Produktionsvolumen zurückkehren, meint der Minister. | Dies wirft die Frage auf, wo die Jobs der Zukunft herkommen sollen. Die SPÖ will nun den - gemessen an den demographischen Herausforderungen - strukturschwachen Pflege- und Sozialbereich aufmöbeln und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits sollen sich arbeitslose Männer entsprechend umschulen lassen - quasi vom Elektrotechniker zum Kindergärtner. Andererseits will man durch die Schaffung institutionalisierter Pflegeberufe mehr Frauen in Beschäftigung bringen.


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Laut Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek werden bisher 88 Prozent der rund 400.000 pflegebedürftigen Österreicher von 300.000 Frauen im Haushalt betreut, ohne dass Letztere Lohn erhalten und Pensionsansprüche erwerben. Der "Generationenfonds", den Bundeskanzler Werner Faymann in seiner Grundsatzrede gefordert hat, solle helfen, diesen Frauen einen geregelten Arbeitsplatz zu verschaffen.

Ob diese SPÖ-Vision vom Strukturwandel des Arbeitsmarkts über das Versuchsstadium hinauskommen kann, wird von mehreren Faktoren abhängen. Zunächst stellt sich die leidige Frage der Finanzierung: Selbst wenn es gelänge, den Generationenfonds mit den angedachten zwei Milliarden Euro zu dotieren, würde dieser - laut Kanzler-Rede - lediglich 50.000 Jobs in Pflege, Kinderbetreuung und Bildung schaffen. Dies wäre wohl kaum mehr als eine Initialzündung.

Viel käme auch auf die praktische Umsetzung an: So aufreibend und undankbar die Altenbetreuung im eigenen Haushalt sein kann, so unbürokratisch ist deren Handhabung. Ob ein Fonds der öffentlichen Hand die schwierige Übung schafft, Zugangshürden niedrig genug zu halten, bliebe abzuwarten.

Hürden gibt es jedenfalls, was Qualifikation und Bezahlung betrifft: Solange Sozialberufe deutlich schlechter entlohnt werden als Industrie-Jobs, ist ein Wechsel hin zu Ersteren mit gravierenden Wohlstandsverlusten verbunden - sowohl für den Einzelnen als letztlich auch für die Volkswirtschaft. Um höhere Löhne zu rechtfertigen und aus dem Visions-Versuch einen Selbstläufer zu machen, müssten Sozialberufe im gesellschaftlichen Ansehen jedoch massiv aufgewertet werden.

Das ist aber nur möglich, wenn Qualifikations-Voraussetzungen hoch genug angesetzt werden. Mit Schnellsiederkursen ist nichts gewonnen. Darüber hinaus ist nicht jeder Industriearbeiter zum Kindergartenpädagogen oder Altenpfleger geboren. Bei aller gebotenen Stärkung wird der Sozialbereich auch in Zukunft nicht den gesamten Arbeitsmarkt stützen können.