Die ÖVP hat in der Familienpolitik einen neuen Schwenk vollzogen. In ihrem am Montag präsentierten Wahlprogramm tritt die Volkspartei nun für eine einkommensabhängige Variante beim Kindergeld ein, nachdem sie dies bei den Verhandlungen mit der SPÖ über eine Flexibilisierung des Kindergeldes im Vorjahr noch abgelehnt hatte. Dementsprechend erfreut zeigte sich die SPÖ über diese Neupositionierung des Noch-Koalitionspartners.
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Zuvor hatte sich die ÖVP bereits mit ihrer Forderung nach einer 13. Familienbeihilfe und einem verpflichtenden kostenlosen Kindergartenjahr für alle Fünfjährigen den Positionen der SPÖ angenähert.
Dass dann etwa eine Supermarktkassierin im Vergleich zu einer Rechtsanwältin nur die Hälfte an Geld für ihr Kind bekommen würde, findet die sozialdemokratische Politikerin "überhaupt nicht ungerecht". Schließlich gebe es auch unterschiedliche Höhen bei Pensionen und Arbeitslosengeld. Da sage auch keiner, dass das ungerecht sei. Freilich handelt es sich dabei um Versicherungsleistungen und beim Kindergeld um eine Transferzahlung.
Grund für das bedingungslose Eintreten der SPÖ für die Neugestaltung des Kindergelds ist, dass man mit den finanziellen Anreizen vor allem Männer verstärkt zur Karenz bewegen will. Zusätzlich glaubt die Bundesgeschäftsführerin, dass durch diese kurze Auszeit Frauen der Wiedereinstieg erleichtert würde und ihre Karrierechancen damit verbessert würden.
In ihrem Wahlprogramm plädiert die ÖVP jetzt für ein einkommensbezogenes Kindergeld. Statt der derzeit kürzesten Variante mit 800 Euro bei 15-monatiger Karenz soll es demnach 80 Prozent des Nettogehalts mit mindestens 1.000 und maximal 2.000 Euro - 12 plus zwei Monate lang, wenn sich auch der Partner beteiligt - geben. Die Kosten dafür beziffert die ÖVP mit 15 bis 30 Millionen Euro. Die beiden längeren Varianten - 436 Euro für 30 plus sechs Monate und 624 Euro für 20 Monate plus weitere vier Monate für den Partner - will die ÖVP unverändert lassen.
Vizekanzler und Parteichef Wilhelm Molterer und Staatssekretärin Christine Marek begründeten diese Forderung mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dass die ÖVP nun auf eine SPÖ-Forderung einschwenke, beantworteten sie damit, dass man Antworten auf veränderte Lebensläufe bieten wolle. Und: "Die ÖVP bewegt sich, das ist gut so", sagte Molterer. Marek hielt fest, dass dieser Punkt im Wahlprogramm der SPÖ nicht enthalten sei.
Sowohl SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann als auch SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures begrüßten den Vorstoß: "Das ist eine der bekanntesten Forderungen der SPÖ", so Faymann. Der SPÖ-Vorsitzende bekundete auch gleich Gesprächsbereitschaft und meinte, seine Partei werde sicher dabei sein, wenn sich die ÖVP in dieser Sache zusammensetzen wolle. In einem Punkt weicht die SPÖ allerdings von der ÖVP-Position ab. Bures plädierte dafür, dass eine generelle Flexibilisierung etabliert werden sollte. Das heißt, neben der einjährigen Kurzform sollten nicht nur die beiden anderen vorhandenen, längeren Modelle zum Einsatz kommen, sondern die Eltern sollten selbst entscheiden, wie viele Monate sie in Karenz bleiben können. Die Höhe der Leistung würde sich dann an der jeweiligen Dauer orientieren.
Unterschiedlich reagierten die Oppositionsparteien. Die Grünen unterstützten den Vorstoß und kündigten an, bei der letzten Plenarsitzung im Parlament vor der Wahl einen Initiativantrag für das einkommensabhängige Kindergeld einzubringen. Damit wollen sie sich vergewissern, ob es sich bei dem ÖVP-Schwenk nicht nur um ein Wahlzuckerl handelt. Auch das Liberale Forum konstatierte einen "Lichtblick in der sonst nicht gerade emanzipatorischen Familienpolitik der ÖVP". Die FPÖ findet den ÖVP-Vorschlag hingegen "nicht durchdacht" und fordert stattdessen ein Familiensteuersplitting. Und das BZÖ warf der ÖVP "Wählertäuschung" vor, zeigte sich aber bereit, über ein Kindergeld-Paket zu verhandeln, wobei jedoch jedes Kinder gleich viel wert sein müsse. (APA)
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