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Kindertherapie im Aufbau

Von Lea Luna Holzinger

Politik
Mehr Therapieplätze für Kinder bieten die neuen Zentren im 22. und 11. Bezirk, für die Ärztekammer ist das zu wenig.
© leisure

1000 weitere Therapieplätze für entwicklungsbeeinträchtigte Kinder.


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Wien. Bunte Bälle, Bauklötze und Buntstifte sind im Raum verteilt. Kuscheltiere und Spielzeugfiguren liegen am Boden, an der Wand ist eine Zeichentafel angebracht. Xylophone, Flöten und Trommeln sind im lichtdurchfluteten Nebenzimmer aufgestellt. In einem weiteren Raum liegen Turnmatten auf dem Boden. Seile und ein Klettergerüst sind an der Wand befestigt. So sehen die Behandlungszimmer des neuen Zentrums für Entwicklungsförderung im 20. Bezirk aus. Rund 500 entwicklungsbeeinträchtigte Kinder sollen in Zukunft hier betreut werden. Weitere 500 Plätze bietet das ebenfalls am Mittwoch eröffnete Zentrum in der Modecenterstraße im 11. Bezirk.

Bisher stand Eltern, deren Kinder behindert sind, Probleme beim Sprechen haben oder anders in ihrer Entwicklung beeinträchtigt sind, nur ein Zentrum für Entwicklungsförderung in der Langobardenstraße im 22. Bezirk zur Verfügung. Dieses Zentrum richtet sich an Familien mit Kindern bis drei Jahre. "In Wien herrscht eine Mangelsituation an Angeboten für entwicklungsgestörte Kinder", erklärte Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse.

Im Vorjahr einigten sich die Stadt Wien und die Wiener Gebietskrankenkasse auf den Ausbau der Therapieplätze für Kinder mit Entwicklungsverzögerung oder Behinderung. Die Behandlungen in den Bereichen Ergo-, Logo-, Physio- und Psychotherapie werden nun auch in den neuen Zentren angeboten. In der Musiktherapie soll den Kindern durch die verschiedenen Instrumente eine weitere Ausdrucksmöglichkeit gegeben werden. Während das Zentrum in der Langobardenstraße auf die Behandlung von Babys mit Schrei-, Fütter- und Schlafproblemen spezialisiert ist, werden in den neuen Einrichtungen alle entwicklungsbeeinträchtigten Kinder bis zehn Jahre betreut.

"Entwicklungsförderung ist ein Thema, dem wir uns besonders annehmen müssen. Dabei ist es wichtig, zuerst zu überlegen, was wir brauchen und dann erst über die Finanzierung nachzudenken", meinte Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely bei der Eröffnung. Die Behandlung der Kinder ist für die Eltern kostenlos. Bemerken Eltern, dass ihr Kind zu wenig isst oder trinkt, ungewöhnlich viel weint, ungeschickt ist oder andere Entwicklungsprobleme zeigt, können sie in den Zentren fachärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. "Zuerst wird eine Diagnose erstellt und dann, wenn nötig, eine Therapieform erarbeitet - und das alles an einer Stelle", erklärte Reischl.

Kritik der Ärztekammer

Auch Wehsely sieht den Vorteil der Zentren darin, "dass die Eltern alles an einem Ort haben und nicht von einer Stelle zur anderen laufen müssen." Kritisch wird dieses Konzept von der Wiener Ärztekammer (ÄK) gesehen. Diese fordert mehr Kassenstellen in der Psychotherapie für Kinder und Jugendliche. "Die Wiener ÄK begrüßt natürlich jede Form von zusätzlichen Betreuungsplätzen für Kinder. Darüber hinaus können aus Sicht der ÄK diese Behandlungszentren jedoch nicht als Alternative zu niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiatern betrachtet werden, wie das immer wieder von der WGKK argumentiert wird", sagte eine Sprecherin der ÄK.

Ein Problem bestehe darin, dass die neuen Behandlungszentren zwar bei spezifischen Fragestellungen aufgesucht werden könnten. Kinder- und jugendpsychiatrischen Kassenstellen im niedergelassenen Bereich, die einen niederschwelligen Zugang zur kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung hätten, würden allerdings fehlen. Darüber hinaus gebe es bei Verhaltensauffälligkeiten von Kindern oftmals eine Überschneidung der Bereiche Entwicklungsdiagnostik und Kinderpsychiatrie.

Weiteres Zentrum 2014

Es müsse beurteilt werden, ob Auffälligkeiten eines Kindes entwicklungsbedingt sind und in einem Zentrum für Entwicklungsförderung behandelt werden könnten oder ob die Probleme Symptome einer psychiatrischen Erkrankung sind und daher eine andere, nämlich kinderpsychiatrische Behandlung besser geeignet sei, meint man bei der ÄK. Diese Behandlung müsse von niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychologen gewährleistet werden. Eine Kassenstelle gebe es in diesem Bereich allerdings nicht, weshalb die ÄK die Schaffung einer solchen von der GKK fordert.

Trotzdem plant die Stadt bis 2014 ein weiteres Zentrum Kinder bis zehn Jahre mit 700 Plätzen. Die Kosten für die drei neu eingerichteten Zentren beliefen sich laut Wehsely auf 3,5 Millionen Euro und wurden je zur Hälfte von WGKK und den Sozialdiensten getragen.