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Kinderwünsche

Von Rotraud A. Perner

Wissen

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Wenn wir Politik als zielgerichtetes Handeln zur Verwirklichung konkreter Ideologien oder präziser Interessen verstehen wollen, ergibt sich daraus, dass es im Bereich der Bevölkerungspolitik nicht nur eine übergeordnete staatliche sondern auch eine höchst individuelle private Form gibt. Und es gibt eine öffentlich kommunizierbare sowie eine, die man üblicherweise verbirgt, weil sie zu tief in die Abgründe der eigenen Seele schauen lässt.

Von C. G. Jung stammt die Metapher, dass unsere Außendarstellung - die "persona" oder "Maske" - das kommuniziert, was wir gerne als Fremdbild möchten: wie wir gesehen werden wollen, weil wir dann meinen, uns Konflikte ersparen zu können, lieb gehabt zu werden oder zumindest nicht aus der Gemeinschaft herausfallen. Hinter dieser "Fassade" taucht das "Ego" auf; darunter kann man sich die geheimen Dominanzwünsche vorstellen, auch ausbeuterische Bestrebungen, eben alles, was der eigenen Machtvollkommenheit dient. Aber innerhalb dieses zweiten Kreises befindet sich quasi als Kern das "Selbst" - die wahre Persönlichkeit mit all ihren durchaus auch widersprüchlichen Anteilen.

Unsere "Masken" werden vielfach von den Erwartungen unserer Bezugspersonen geprägt - bis wir alles kritisch hinterfragen und unseren eigenen Weg ins und zum Leben finden. Üblicherweise geschieht das in der Ablösungsphase der Pubertät - wenn man uns lässt. Autoritäre Eltern lassen nicht. Manipulative hingegen verführen mit Schmeichelpropaganda. Die Produktwerbung hat beide Stile übernommen: hard selling mit Angstmache, soft selling mit Erweckung von Wunschträumen. Geworben wird: für Produkte, für Ideologien, für Parteien und natürlich auch für sich selbst...

Die Form, in der die Bildungsministerin für größere Motivation zum Kinderkriegen geworben hat, würde ich als hard selling bezeichnen. Dementsprechend schallte es vielfach im gleichen Ton aus dem Blätterwald zurück. Dabei spricht es für die Ministerin, ihre Position so klar und deutlich und ohne anbiederndes Schmeicheln klar zu legen. Ähnliches wagte vor Jahren Brigitte Piwonka mit ihrem Buch "Der Kinderwunsch - ein Egotrip?" (1995 bei Eichborn) - allerdings aus einer ungewöhnlichen Gegenposition. Sie zeigte darin u.a., wie Kinder ein neues Körpergefühl vermitteln, mangelnde Identität schaffen können, fehlende Talente ersetzen sollen oder zum Machtinstrument taugen - alles Aspekte aus der Mutterpsyche.

Mit dem konkreten neuen Menschen hat das wenig zu tun. Und sie stellte die provokante Frage, ob es "Mütterhormone" gibt. Damit traf sie sich ungewollt mit der legendären Wiener Gynäkologin Adelina Husslein, die in ihrer Aufklärungsstudie "Jung sein - erwachsen werden" (Herder 1989) formulierte: "Für eine seelisch gesunde, natürlich empfindende Frau sind Sexualität und Liebe nicht zu trennen, und sie hat daher das natürliche Bedürfnis, ihre Sexualität in die Ehe einzubauen.

Trotz der starken Liberalisierung im Sexualverhalten bleibt im innersten Wesen des normalen jungen Mädchens der Wunsch nach Dauerverbindung, nach eigenem Heim, nach Familie und Kind. Es spürt rein intuitiv, dass nur in der Ehe auf die Dauer Vertrauen, gegenseitige Achtung und Verantwortung sichergestellt sein können..."

Diese Suggestivsprache bewerte ich als klassisches Beispiel für soft selling. Denn dass dies alles Wunschdenken bedeutet, zeigen Scheidungsstatistik ebenso wie die Erfahrungen aus Paarberatung und - therapie: heute zählt in den medialen Vor-Bildern und in der gelebten Wirklichkeit Flexibilität mehr als Prinzipientreue, flotter Mobilsex mehr als Liebe mit Tiefgang - auch wenn das geistige Lebenskonzept die heile Familienwelt des Schulbuches als Hort der Beglückung - nämlich durch eine Mutterfigur! - erträumen lässt. Nur: die "gemüt-liche" Familie samt Kindern im traditionellen Sinn ist zunehmend mit den Geschwindigkeits- und Mobilitätserfordernissen der heutigen Arbeitswelt unvereinbar. Das ist mit ein Grund, weswegen manche Kinder nicht wünschen, sondern verwünschen: sie konfrontieren uns mit Grenzen der eigenen Belastbarkeit. Und zu lehren, wie es doch gehen könnte, ist DIE zukünftige Herausforderung für Erzieher/innen."