"In Wien wird keiner mehr ein Kino eröffnen." Karl Bier, Vorstand der UBM Realitätenentwicklungs AG und Flächenvermieter des Standortes Wien der Village Cinemas, brachte es am Freitag vor Journalisten auf den Punkt: Am Wiener Kinomarkt herrschen Überkapazitäten.
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Wie es zahlenmäßig um die einzelnen Lichtspieltheater bestellt ist, will keiner der Betreiber kundtun. Wenn ein Unternehmen eine Ausnahme macht und Besucherzahlen der Branche unabgesprochen bekannt gibt, stößt es Mitbewerber damit vor den Kopf, wie Recherchen der "Wiener Zeitung" zeigten.
"Dabei sind Besucherzahlen, ob positiv oder negativ, nur ein Indiz. Sie sagen nichts über den Umsatz aus," relativiert Klaus Vögl, Geschäftsführer der Fachgruppe Lichtspieltheater und Audivisionsveranstalter in der Wirtschaftskammer Wien, einzelne Versuche, Konkurrenten schlecht zu machen. Dabei steht fest: "Viele Kinobetreiber werden derzeit nicht viel Geld machen, es ist eine Frage des Überlebens", beschreibt Vögl die "einzigartige" Situation in der Bundeshauptstadt. Der Multiplex-Boom der vergangenen Jahre in Wien sei für ihn nicht nachvollziehbar. "Ganz Berlin hat nur zwei Multiplex, München gar keines." Unter sogenannten Multiplexanlagen werden Kinocenter verstanden, die neben Filmvorführungen in mehreren Sälen Gastronomie- und Einkaufsmöglichkeiten bieten.
Heinz Hueber, Betreiber von Hollywood Megaplex-Anlagen, sieht den Grund für die Überkapazitäten im politischen Bereich: Die im Jahr 1997 gelockerten Baugenehmigungen führten zu einem Bauboom von Großkinocentern. Allein im Jahr 1999 wurden in Wien 4 Multiplexkinos mit insgesamt fast 10.000 Sitzplätzen eröffnet. "Man plant zwei, drei Jahre, bis der Baustartschuss endlich fällt, dann sieht man, wer aller baut und sagt dann nicht: Jetzt bau' ich nicht mehr. Man versucht natürlich mit dem Kino trotzdem gut zu fahren", so Hueber.
Des einen Leid, des anderen Freud: Den Kinogehern kommt die Konkurrenz zugute. Neben einem größeren Angebot habe sich auch die Ausstattung der Kinos verbessert. Hueber: "Vor fünf Jahren sind Besucher noch in einem Kammerl gesessen und haben die Leinwand gesucht."
Auch die Qualität der Klein- und Mittelbetriebe unter den Lichtspieltheatern hat sich erhöht: Die Einführung der Kinoförderung im Jahr 1999 brachte den kleinen Brüdern und Schwestern der Multiplex-Anlagen Unterstützung von Seiten der Stadt Wien. Dadurch sollten kleine Kinos konkurrenzfähig bleiben.
Auf drei Stufen fördert die Initiative Klein- und Mittelbetriebe, die mit bis zu maximal sechs Sälen und 1.500 Sitzplätzen ausgestattet sind. Eine Kommission vergibt an Kinos, die besonders wertvolle Filme oder Fremdsprachen-Filme zeigen, Programmförderungen. Eine Investitionsförderung greift bei Modernisierungen unter die Arme. Die Kinoauszeichnung wird für "Musterbetriebe" vergeben. "Gott sei Dank geht es uns gut", kommentiert Herbert Dörfler, Betreiber der Wiener Hayden-Kinos und Präsident der Wiener Lichtspieltheater. "Wir haben uns aufgrund der Kinoförderung ganz gut entwickelt." Kinobesitzer, die auf Nischenangebote setzen, könnten neben den großen Konkurrenten - so Vögl - bestehen.