Wien. Die katholische Basisbewegung "Wir sind Kirche" hat die Aufhebung der Exkommunikation von vier ultrakonservativen Anhängern des verstorbenen Erzbischofs Michel Lefebvre durch Papst Benedikt XVI. kritisiert. "Die Aufhebung der Exkommunikation zeigt die rückwärtsgewandte Ausrichtung des Pontifikats von Benedikt XVI.", so die Organisation. Der | Papst hat die Exkommunikation von vier Anhängern des gestorbenen traditionalistischen Erzbischofs Marcel Lefebvre nach 21 Jahren rückgängig gemacht.
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Die Entscheidung, den vier exkommunizierten Abweichlern zu vergeben, wurde am Samstag vom Heiligen Stuhl veröffentlicht. Kritik löste speziell die Rehabilitation von Richard Williamson vor allem bei jüdischen Organisationen aus. Denn gegen den von Lefebvre 1988 zum Bischof geweihten Briten ermittelt die Regensburger Staatsanwaltschaft wegen der Leugnung des Holocausts. Vatikan-Pressechef Federico Lombardi wies die Kritik zurück und betonte, dass es bei der Exkommunikation ausschließlich darum ginge, die Anhänger der Bruderschaft Pius X. wieder zu integrieren.
"Wir sind Kirche" wies darauf hin, dass die Entscheidung zum 50. Jahrestag der Konzils-Ankündigung von Johannes XXIII. getroffen worden sei. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil öffnete die katholische Kirche ihre Tür gegenüber anderen Religionen und leitete einen Modernisierungsprozess ein. Traditionalistische Kreise, wie jene um Lefebvre, sehen in den Konzilsbeschlüssen dagegen eine Verwässerung der katholischen Lehre.
Die Rücknahme der Exkommunikation der Lefebvre-Anhänger "mag als ein erfreuliches Zeichen für die Versöhnungsbereitschaft des Papstes gesehen werden", schreibt "Wir sind Kirche". "Es bleibt aber ein schaler Geschmack", zumal der Papst nur einen seiner beiden Arme ausgestreckt habe. "Wäre es nicht gerade jetzt an der Zeit, mit der zweiten Hand auch all jene heimzuholen, die mit Lehrverboten und Exkommunikation bestraft wurden, weil sie die gute Nachricht Jesu auch politisch-strukturell für die Armen dieser Welt einsetzen oder Frauen zu Priesterinnen weihen oder für Kondome zum Schutz vor Aids eintreten", fragt die Organisation, die in den 1990er Jahren Unterschriften von Hunderttausenden österreichischen Katholiken für die Priesterschaft von Frauen und die Aufhebung des Zölibats gesammelt hat.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, begrüßte am Samstag, dass der Papst bei seiner Aktion keinen Zweifel daran gelassen habe, "dass die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils unabdingbar Grundlage für das Leben der Kirche ist". Er hoffe und bete, dass die Priesterbruderschaft die ausgestreckte Hand des Papstes ergreife, erklärte Zollitsch. Der Generalobere der Pius-Bruderschaft, Bischof Bernard Fellay, begrüßte das päpstliche Dekret in einer ersten Reaktion und sprach von einer "Wohltat für die gesamte Kirche".
Die französische Amtskirche reagierte auf die Aufhebung der Exkommunikation von vier ultrakonservativen Bischöfen durch Papst Benedikt XVI. eher verhalten. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz und Pariser Kardinal Andre Vingt-Trois reagierte am Samstag verhalten auf die Rehabilitierung der Anhänger des verstorbenen Erzbischofs Marcel Lefebvre. Benedikt XVI. verfüge offenbar über "ausreichend positive" Informationen, um diese Entscheidung verantworten zu können, sagte Vingt-Trois laut Kathpress-Meldung vom Sonntag.
Der italienische Theologe Gianni Gennari hat die Rücknahme der Exkommunizierung von vier ultrakonservativen Bischöfen durch Papst Benedikt XVI. scharf kritisiert. Es handle sich um eine "Tragödie, eine Niederlage für die Kirche" und eine "Ohrfeige für Johannes Paul II.", sagte Gennari der Tageszeitung "Il Giornale" laut Kathpress-Meldung vom Sonntag. Barmherzigkeit erweise die Kirche nämlich normalerweise reuigen Sündern, während die Anhänger des verstorbenen Erzbischofs Marcel Lefebvre nichts bereut hätten.
40 Jahre lang hätten Lefebvristen die Päpste als "Bastarde" und die seit 1970 geltende Heilige Messe als "Gräuel" bezeichnet, erinnerte der laisierte Theologe. Sie hielten sich für die Bewahrer der echten katholischen Lehre. Und ihre stolze Reaktion jetzt zeige, dass sie glaubten, gewonnen zu haben, so Gennari.
Der Mailänder Theologe Vito Mancuso erwartet nach der Aufhebung der Exkommunikation auch eine kirchliche Geste gegenüber "progressiven" Katholiken. Nach der bedeutsamen Öffnung gegenüber der "extremen Rechten" sollte Benedikt XVI. sich auch gegenüber der "Linken" öffnen, um Spaltungen in der Kirche zu verhindern, sagte er im Gespräch mit der Tageszeitung "La Repubblica".
Im Jahr 1988 war eine Einigung zwischen der Priesterbruderschaft Pius X. und dem damaligen Kurienkardinal Joseph Ratzinger geplatzt. Der "Dissident" Lefebvre weihte trotz der Warnungen des Vatikans vier Priester zu Bischöfen. Daraufhin wurden Lefebvre und die Geweihten exkommuniziert. In den vergangenen Jahren hatte Fellay den zuständigen Kardinal Dario Castrillon Hoyos mehrfach gebeten, die Exkommunikation zurückzunehmen. Bei einer Einigung könnte die Bruderschaft den Status einer Personalprälatur ähnlich dem Opus Dei erhalten, hieß es damals.
Dossier Papst Benedikt XVI