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Kirchenbeitrag von "Armen"

Von Rudolf K. Höfer

Gastkommentare
Rudolf K. Höfer lehrt Kirchengeschichte an der Universität Graz und ist Herausgeber des Buches "Kirchenfinanzierung in Europa" (Tyrolia 2014).

Soll Steuerfreiheit auch vom Kirchenbeitrag befreien? | Steuerwidmung nach italienischem Vorbild würde das Problem lösen.


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In der Öffentlichkeit ist bekannt, dass die Kirche viel für die Armen in der Bevölkerung tut. Wahr ist aber auch, dass die Kirche einiges von den "Armen" nimmt. Wie ist das möglich? Die Katholische Männerbewegung Österreichs in Vorarlberg hat dazu recherchiert. Demnach wird zwar von Seiten der Katholische Kirche die Erhöhung des Steuerfreibetrages von 11.000 auf 15.000 Euro gefordert und mit Entlastung für Arme begründet.

Gleichzeitig verlangen aber kirchliche Finanzkammern laut der Kirchenbeitragsordnung bei einem Jahreseinkommen von 11.000 Euro immerhin 80 Euro Kirchenbeitrag, bei einem steuerfreien Jahreseinkommen von 9000 Euro noch 32,48 Euro und bei der steuerfreien Lehrlingsentschädigung von monatlich 600 Euro auch noch 11,36 Euro an Kirchenbeitrag. Diese Einkommensgruppen gehören aber nach Meinung der Kirche alle zu den "Armen". Dazu gehören Bezieher von Mindestpensionen, Kindergeld, Pflegegeld, Ausgleichszulagen.

Das von Adolf Hitler nach der Annexion Österreichs mit 1. Mai 1939 verfügte und nur noch in Österreich geltende Kirchenbeitragsgesetz - andere okkupierte Länder haben es abgeschafft - sieht die staatliche Kontrolle der Beitragsordnung vor. Diese Kontrolle wurde 1946 nach kirchlichen Protesten als "Einmischung in innere Angelegenheiten" von der Regierung damals aufgegeben. Kirchenbeitragsordnungen werden seither nur "zur Kenntnis" genommen. Die Beitragsordnung wurde zur kirchlichen Angelegenheit, obwohl ein staatliches Gesetz dem Kirchenbeitrag zugrunde liegt und von Gerichten auch exekutiert wird.

Wenn der Staat seine Aufgabe und Verantwortung für die "Armen" wahrnehmen will, dann wird die Kirchenbeitragsordnung nicht nur "zur Kenntnis" zu nehmen sein, wenn damit auch "Arme" zur Kasse gebeten werden. Die durch staatliches Gesetz ermöglichte Beitragsordnung zu korrigieren wäre ein Schritt. Einer ORF-Umfrage aus dem Jahr 2009 zufolge halten 85 Pozent der Befragten eine Alternative zum Kirchenbeitrag für "längst überfällig".

In einem weiteren Schritt könnte statt des Kirchenbeitrags das Modell der Steuerwidmung für den Staat oder für Religionsgemeinschaften, das in Italien keine zusätzliche Steuer brachte und deshalb auch keine "Kultursteuer" ist, alle entlasten. Die jetzige Kirchenfinanzierung kostet durch Absetzbeträge, Klagen, Pfändungen, Bearbeitung von Austrittsakten bereits so viel, dass der Staat kostenneutral anstelle des Zwangsbeitrages die demokratische Steuerwidmung nach Italiens Vorbild zur Finanzierung für Kultur und Religionsgemeinschaften einführen könnte, auch im Blick auf den Erhalt der Kulturlandschaft.

Durch Verzicht auf Kirchenbeitrag für alle von Steuern Befreiten würde das Ansehen der Kirche enorm gewinnen, die durch den Staat ermöglichte Steuerwidmung statt des Kirchenbeitrages würde den gesellschaftlichen Zusammenhalt massiv fördern und verbessern.