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Kirchenbeitragsgesetz fördert Kirchenaustritte

Von Rudolf K. Höfer

Gastkommentare
Rudolf K. Höfer ist außerordentlicher Professor für Kirchengeschichte an der Universität Graz. Foto: privat

Gastkommentar: Ist der Staat zu Religionsgemeinschaften neutral?


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Debatten über Kreuze und Kopftücher kehren periodisch wieder und geben eine Richtung an. Vergessen wird dabei eine gefährliche Entwicklung: Bei den Kirchenaustritten ist der jüngste Rückgang von drei Prozent erfreulich, im Vrojahr traten 1713 Katholiken weniger aus. Das ist schön, aber weiter bedrohlich. Denn 2016 verließen 54.886 Katholiken die Kirche, seit 1989 waren es etwa 1,34 Millionen.

Muss in Österreich wirklich am Kirchenbeitragsgesetz, das zur Zerstörung der Kirchen erdacht wurde, festgehalten werden? Oder sollte der Staat nicht eher über den Religionsgemeinschaften und neutral zu den Konfessionen stehen? Ist die Neutralität gegeben, wenn er 72 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur Religionsangehörigen noch einen Kirchenbeitrag vorschreibt? Mit allen Folgen, wie den mit staatlicher Unterstützung durchgeführten rund 30.000 Klagen und 10.000 Pfändungen. Spätestens mit dem Austritt beginnt ein Prozess der Entfremdung und Distanz, zumal das Kirchenrecht Regeln vorgibt, die danach die Abkehr noch fördern und verstärken, wie kein Empfang von Sakramenten, Patenamt und ähnliches.

Die Hauptursache für Austritte ist das Kirchenbeitragsgesetz aus der NS-Zeit für damals vier Religionsgemeinschaften. Mit diesem klar kirchenfeindlichen Akt wollte das Regime einen vernichtenden Schlag gegen die Kirchenorganisation führen.

Steuerwidmung als Alternative

Die katholische Bischofskonferenz bestätigte 1998 in ihrem Amtsblatt, dass für "zwei Drittel der Kirchenbeitrag das Motiv für den Austritt" ist. Bei einer ORF-Umfrage im Jahr 2009 hielten 84,9 Prozent der Befragten ein "alternatives Modell zum verpflichtenden Kirchenbeitrag" für "längst überfällig". Kardinal Christoph Schönborn hat sich schon 2012 öffentlich eine Diskussion über Kirchenfinanzierungsmodelle gewünscht.

Als Alternative zum Kirchenbeitrag bietet sich, was Italien schon 1984 eingeführt hat, die Steuerwidmung für einen Kulturfonds oder eine anerkannte Religionsgemeinschaft ohne eine Belastung für die Bevölkerung an. Dabei handelt es sich um keine "Kultursteuer", wie oft behauptet wurde, weil niemand zusätzlich etwas zahlen muss. Die Trennung von Kirche und Staat ist in Italien festgeschrieben, Italien kennt deshalb keine Kirchenaustritte. Die Option für den Austritt ist mit der Steuerwidmung weg. Der Staat ermöglicht neutral zu Religionsgemeinschaften den Bürgern die freie Entscheidung beziehungsweise Abstimmung über einen kleinen Steueranteil. Die Bürger sind nämlich der Staat, sie bringen die Steuern auf. Auch Spanien, Ungarn, Polen und Slowenien haben inzwischen dieses Modell. Mit der Steuerwidmung wären die anerkannten Religionsgemeinschaften (auch Muslime und andere) gleichgestellt, gesichert finanziert und unabhängig von Vorgaben aus dem Ausland.

Die Steuerwidmung als Ersatz für den Kirchenbeitrag würde in Österreich künftig eine jährliche Kaufkraftstärkung im Umfang von etwa einer halben Milliarde Euro vor allem für die ärmere Bevölkerung bringen, die Kosten für die öffentliche Hand aber kaum den Umfang des beschlossenen Pensionshunderters übersteigen.

Können die Folgen einer Diktatur überwunden werden? Oder muss jemand in Österreich dieses Gesetz noch verteidigen?