Zum Hauptinhalt springen

Kirchliches Schuldbekenntnis weckt Hoffnung auf Erneuerung

Von Peter Zschunke

Politik

Nach Jahrhunderten der Verfolgung von Andersdenkenden hat die katholische Kirche ein Zeichen der Demut gesetzt: "Alle haben gesündigt und niemand kann Rechtschaffenheit vor Gott beanspruchen", | erklärte am Sonntag Papst Johannes Paul II., dessen Vorgänger den Anspruch der Unfehlbarkeit oft zur gnadenlosen Unterdrückung von Gläubigen anderer Religionen oder Abweichlern in den eigenen Reihen | missbraucht haben. Juden und Moslems begrüßten das Bekenntnis als Signal für eine globale Ökumene. In kirchlichen Reformkreisen aber stieß die Erklärung auf Skepsis. Den frommen Worten müssten | endlich Taten zur inneren Reform der Kirche folgen .


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Das ist wirklich ein wundervoller Schritt nach vorn auf seiten der Kirche beim Versuch, mehr Versöhnung zwischen den jüdischen und katholischen Gemeinschaften herbeizuführen", sagte der Rabbiner

Samuel Chiel in Boston, wo Kardinal Bernard Law um Vergebung für die Mitwirkung der Kirche am Antisemitismus bat. Das Verhältnis zwischen Christen und Juden wie auch zu den Protestanten wurde in den

meisten Ländern, deren Kirchenführung dem päpstlichen Aufruf zum Schuldbekenntnis in der Passionszeit des Heiligen Jahres 2000 folgte, in den Mittelpunkt gestellt.

In der katholischen Reformbewegung stieß das Schuldbekenntnis auch auf grundsätzliche Zustimmung: "Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist ein richtiger Schritt", sagte am Sonntag Dieter Appel vom

Bundesteam der KirchenVolksBewegung, die 1995 im Anschluss an das österreichische Kirchenvolksbegehren "Wir sind Kirche" entstanden ist. Schmerzlich vermisst würden aber Reformschritte der Kirche in

der Gegenwart. Hier wünscht sich die kritische Basis endlich das Priesteramt der Frau, die Aufhebung des Pflichtzölibats der Priester, eine positive Bewertung der Sexualität als "wichtiger Teil des

von Gott geschaffenen und bejahten Menschen", die Erweiterung der Gemeindeleitung um engagierte Laien und ein Ende der Ächtung von wiederverheirateten Geschiedenen.

Zumindest in dem letzten Punkt macht das Schuldbekenntnis der katholischen Kirche in Luxemburg Hoffnung: "Entgegen manchen Fehleinschätzungen und Fehlinformationen ist festzuhalten:

Wiederverheiratete Geschiedene gehören zur Kirche und damit zur Pfarrgemeinde, in der sie leben." Auch mit der rigiden Alltagsmoral geht die Luxemburger Kirchenführung sehr selbstkritisch um: "Als

Kirche sind wir uns heute bewusst, dass wir durch das Insistieren auf moralische Normen und Gesetze dem Stil des Evangeliums nicht gerecht wurden und das Leben der katholischen Bevölkerung oftmals

unnötig belastet haben."

Der Tübinger Theologie Hans Küng hat aber bei dem Schuldbekenntnis "Zweifel, ob da mehr geschehen soll als eine publikationsträchtige Aktion, mit der man die Kritiker der Kirche etwas ruhig stellen

will." Heute würden die Menschen nicht mehr physisch, sondern psychisch verbrannt, sagte Küng, dem der Vatikan 1979 die Lehrerlaubnis entzog. Auch Appel vom KirchenVolksBegehren weist im Gespräch mit

der Nachrichtenagentur AP darauf hin, dass der Papst immer wieder mit medienwirksamen Aktionen und positiven Signalen zu Ökumene und innerer Öffnung auf sich aufmerksam mache. Doch in der gelebten

Kirchenpraxis gebe es immer noch Angst, seine eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen. "Diese Diskrepanz schmerzt."

Schönborn: Auch auf lokaler Ebene aufarbeiten

Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, hat am Sonntag darauf hingewiesen, dass die Vergebungsbitte des Papstes auch zur Schuldaufarbeitung auf lokaler Ebene führen soll. Johannes

Paul II. habe die Ortskirchen ausdrücklich eingeladen, die "Heilung der Erinnerung" auch für ihre Geschichte vorzunehmen, sagte Schönborn laut Kathpress. Alle Gemeinschaften trügen so etwas wie eine

Schuldgeschichte in sich. Diese Belastungen aus der Vergangenheit, die in die Gegenwart hineinwirken, gelte es aufzuarbeiten und in eine Vergebungsbitte hineinzunehmen.

Für Österreich nannte der Kardinal zwei wesentliche Themen: das konfliktreiche Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten und das Verhalten von Christen gegenüber Juden. Die beiden Bereiche

seien auch in der Vergangenheit schon vielfach angesprochen worden, vieles an Schuld und Wunden habe man sich bewusst gemacht. Dies sollte auch in eine Vergebungsbitte münden.

Grundsätzlich hielt Kardinal Schönborn zur Vergebungsbitte des Papstes fest, sie sei eine "Gebetsbitte", die an Gott gerichtet ist. Sie könne sich nicht mehr direkt an die Opfer richten, sondern

erflehe von "Gott, dem Richter über Lebende und Tote, dem Herrn der Welt und der Geschichte", Vergebung für das, was Menschen im Namen des Glaubens gefehlt haben.

Die Vergebungsbitte soll nach den Worten Kardinal Schönborns auch ein historisch korrektes Aufarbeiten der Vergangenheit fördern. Es gehe darum, sich durch geschichtliches Differenzieren gegenüber

"allzu raschen Schlagworten und Vorurteilen abzusetzen". Andererseits sei ein Erheben wirklicher Schuld nötig, wie sie die Kirche etwa mit der Inquisition auf sich lud. Dabei gelte es auch

herauszufinden, wo die Wurzeln dieser Schuld lagen, wo ein Fehlverhalten begonnen hat und warum es sich entwickeln konnte.