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Kirchners leeres Versprechen

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

In Argentinien wächst der Widerstand gegen ein Fracking-Coprojekt mit Chevron.


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Buenos Aires. Alle wütenden Proteste nutzten nichts: Das Regionalparlament in Neuquen in Südargentinien stimmte der Vereinbarung zwischen dem erst im vergangenen Jahr verstaatlichten Erdöl- und Erdgaskonzern YPF und dem US-Multi Chevron zu. Damit steht einer Ausbeutung der Rohstoffe in der Region nichts mehr im Wege. Argentinien hofft auf einen dringend notwendigen Impuls der eigenen Erdöl- und Erdgasproduktion, Umweltschützer, Kirche und soziale Bewegungen der Ureinwohner befürchten unabsehbare Folgen für die Umwelt und einen Ausverkauf argentinischer Vorkommen.

Die Heftigkeit der Proteste erinnert an die Geburtsstunde der Anti-Atom-Kraftbewegung in den 1980er Jahren in Europa. Die Angst vor der umstrittenen Fördermethode des Frackings und das Misstrauen gegenüber Chevron, dessen Geschichte in Lateinamerika an Umweltskandalen ganze Zeitungsseiten füllt, treibt die Menschen auf die Straße.

Ein Befreiungsschlag, der keiner ist

Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner hofft mit der Kooperation der beiden Unternehmen auf einen Befreiungsschlag. Obwohl das südamerikanische Land über reiche Rohstoffvorkommen verfügt, verzeichneten die Erdöl- und Erdgas-Produktion zuletzt rückläufige Produktionszahlen. Grund dafür sind immer neue bürokratische Hürden, Korruption und die aktuellen Währungsprobleme des argentinischen Peso, der Buenos Aires in scharfe Devisenvorschriften trieb. Wegen des unkalkulierbaren Risikos fand sich kaum ein internationaler Partner bereit, mit dem Staatsunternehmen YPF zusammenzuarbeiten. Zu unberechenbar schien den Investoren eine Kooperation.

Kirchner hatte im vergangenen Jahr im Rahmen eines Gesetzes zur "kohlenstofflichen Souveränität der Republik" das Unternehmen verstaatlicht. Während sich internationale Investoren daraufhin erschrocken zurückzogen, feierten Kirchner-Anhänger den Schritt als wichtigen Etappensieg auf dem Weg in eine energiepolitische Unabhängigkeit. Doch allein auf sich gestellt, konnte und kann YPF die Herausforderungen der Förderung unkonventioneller Lagerstätten nicht stemmen. Die Idee des nationalen Alleingangs ist gescheitert.

Geheimklauseln im Vertrag sorgen für Unmut

Nur Chevron erklärte sich bereit, auf einen Deal mit YPF einzusteigen. Umgerechnet rund eine Milliarde Euro investiert Chevron in das Projekt zur Förderung unkonventioneller Lagerstätten. Viele Argentinier glauben nun an einen Ausverkauf der eigenen Rohstoffe, was nicht zuletzt daran liegt, dass Kirchner selbst immer wieder vor den US-Konzernen gewarnt hat. Dass Chevron obendrein in anderen lateinamerikanischen Ländern wie Ecuador eine Spur der Umweltverwüstung hinterließ, zerstört vollends das Vertrauen in die Zusammenarbeit.

Die katholische Kirche in Neuquen forderte die Parlamentarier ungewöhnlich aggressiv auf, der Vereinbarung ihre Zustimmung zu verweigern. In einem offenen Brief mit dem Titel "Schweigen ist Komplizenschaft" kritisieren die Kirchenvertreter, dass der Vertrag Geheimklauseln beinhalte und damit inakzeptabel sei. Wer dieser Regelung zustimme, betreibe einen Verrat am Volk.

Besonders umstritten: Um an unkonventionelles Erdöl- und Erdgas zu kommen, wird wie in den USA üblich die Fracking-Methode eingesetzt. Dabei werden Wasser, Sand und Chemikalien unter hohem Druck in tief liegende Gesteinsschichten gepresst, um Gas oder Öl zu fördern. Umweltschützer kritisieren, dass die eingesetzten Chemikalien zu einer Verunreinigung des Trinkwassers führen könnten und dass die Bohrzungen sogar Erdbeben auslösen können. Auch die Entsorgung des verunreinigten Abwassers ist ihrer Ansicht nach problematisch.

Fracking-Experten widersprechen dieser Ansicht und sind von der Ungefährlichkeit der Methode überzeugt. Sie verweisen zudem auf das hohe Potenzial von unkonventionellen Vorkommen in aller Welt, die durch Fracking gefördert werden könnten. Nicht nur in Argentinien geht es um Milliarden.

Mapuche-Indianer besetzen Bohrfelder

Widerstand leisten die Ureinwohner der Region. Albino Campo, Sprecher der Mapuche-Indios, kündigte bei der jüngsten Besetzung von Bohrfeldern in der Region erbitterten Widerstand an: "Wir haben die Bohrstellen besetzt, weil wir dem Gouverneur zeigen wollen, dass wir damit nicht einverstanden sind, dass YPF und Chevron unser Land und unser Leben vergiften. Solange die Arbeiten nicht von unserer Kommune überwacht werden, werden wir keine weiteren Arbeiten zu lassen." Chevron und jede andere ausländische Firma, die sich in der Region engagieren wolle, müssen sich in der Zukunft auf den Widerstand der Mapuche einstellen.

Für die linke Präsidentin Kirchner ist die Entwicklung in Neuquen gefährlich. Einerseits musste sie bereits ihren nationalen Alleingang opfern, um überhaupt einen Partner zu finden, mit dem die Vorkommen zu fördern sind. Zudem bildet sich ein unkalkulierbarer politischer Widerstand, gespeist aus unterschiedlichen Gruppierungen und Bewegungen, der dauerhaften Protest angekündigt hat. Ihre erneute Wiederwahl, über deren verfassungsrechtliche Grundlage erst noch die nach den kommenden Parlamentswahlen neu zusammengestellte Kammer entscheiden muss, erscheint bei dem sich abzeichnenden Proteststurm noch ein Stückchen unwahrscheinlicher.