Zum Hauptinhalt springen

Kirgisiens Opposition ohne Anführer

Von Bagila Bukharbayeva, AP

Politik

Die Rebellion in Kirgisien weitet sich aus. Analytiker glauben, dass es in der zentralasiatischen Republik zu einem ähnlichen Umsturz wie in Georgien oder der Ukraine kommen könnte. Noch fehlt dazu aber ein charismatischer Anführer.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Askar Akajew hatte lange Zeit den Ruf, von allen Präsidenten der ehemaligen Sowjetrepubliken in Mittelasien der reformfreudigste zu sein. 1990 wurde er noch vom damaligen Obersten Sowjet zum Staatschef von Kirgisien gewählt. Nach der Unabhängigkeit bestätigten die Wahlen von 1991, 1995 und 2000 den Präsidenten in seinem Amt. Doch in den vergangenen fünf Jahren hat Akajew die Zügel seiner Herrschaft langsam angezogen - 2002 kamen bei einer Demonstration gegen die Verhaftung eines oppositionellen Abgeordneten sechs Menschen ums Leben.

Die Erhebung der Oppositionsbewegung gegen Akajew kommt daher nicht völlig überraschend. Nach dem klaren Wahlsieg des Regierungslagers - die Opposition erhielt in den beiden Wahlgängen nach dem vorläufigen Ergebnis nur 6 der 75 Mandate - befürchten die Akajew-Gegner, dass der 60-Jährige vor der Präsidentenwahl im Herbst die Verfassung ändern lässt, um sich eine dritte Amtszeit zu ermöglichen. Akajew hat dies zurückgewiesen, doch auch die Aussicht auf die Einsetzung eines ihm ergebenen Strohmanns als Kandidat des Regierungslagers bringt die Opposition auf die Barrikaden.

"Wir sitzen hier für die Gerechtigkeit, weil die Wahlen nicht fair waren", sagt der 54-jährige Madamin Turduyew in der Stadt Osch. Die zweitgrößte kirgisische Stadt ist neben Jalalabad eine der Hochburgen der Oppositionsbewegung. "Wir wollen, dass Akajew zurücktritt." Die Situation ist explosiv, aber die meisten Akajew-Gegner sind um Mäßigung bemüht. Eine Gruppe von 50 jungen Männern aus dem Oppositionslager hat die Polizei verstärkt, nachdem die Hälfte der Beamten angesichts der Unruhen zunächst nicht mehr zum Dienst angetreten ist. "Unser Ziel ist die Sicherheit in der Stadt", sagt der Leiter der Gruppe, Basarbai Soltujew.

Aufstände in Bischkek

Das Zentrum der Erhebung liegt im verarmten Süden des Landes. Gestern kam es erstmals zu Demonstrationen in der Hauptstadt Bischkek, wobei Anhänger und Gegner des Präsidenten einander nur wenige hundert Meter entfernt gegenüberstanden.

Akajew schien zunächst bereit, der Protestbewegung Zugeständnisse machen zu wollen und ordnete daher eine Untersuchung der Vorwürfe von Wahlbetrug an. Doch gestern bezeichnet sein Sprecher Abdil Segisbajew die Oppositionsbewegung als Putschversuch krimineller Elemente. Diese stünden in Verbindung mit der Drogenmafia und wollten in Osch und Jalalabad die Macht an sich reißen. Um vollendete Tatsachen zu schaffen, sollen die neu gewählten Abgeordneten so schnell wie möglich eingesetzt werden. "Je schneller das neue Parlament mit der Arbeit beginnt, desto eher wird sich die Situation im Land stabilisieren", sagt der Leiter der Wahlkommission, Sulaiman Imanbajew.

Viele Beobachter vergleichen die Entwicklung in Kirgisien mit der in den ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien und Ukraine, wo unpopuläre Regierungen in einer Volkserhebung gestürzt wurden. Nicht von ungefähr besuchte jetzt der georgische Abgeordnete Givi Targamadse die Stadt Dschalal-Abad, wie der georgische Fernsehsender Rustavi-2 berichtete.

Ähnlich wie in Tiflis und Kiew lässt die russische Regierung auch in Bischkek ihren Einfluss spielen und erklärt, dass "extremistische Kräfte" die Verhältnisse in Kirgisien nicht untergraben dürften. Jedoch gibt es einen wesentlichen Unterschied zur "Rosenrevolution" in Georgien und zur "Orangenen Revolution" in der Ukraine. Der kirgisischen Opposition fehlt bisher eine einigende Kraft und eine charismatische Führungsfigur. AP