Opferzahl auf 68 gestiegen. | Oppositionsführerin soll Übergangsregierung leiten | Bischkek. Nach Unruhen mit Dutzenden Toten in Kirgistan hat sich die Opposition zum Sieger erklärt. "Die Macht ist nun in der Hand der Regierung des Volkes", verkündete die Oppositionsführerin und Ex-Außenministerin Rosa Otunbajewa. Die Übergangsregierung geht entschlossen gegen Plünderer vor.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Oppositionsführerin sagte, die Übergangsregierung solle sechs Monate im Amt bleiben und eine neue Verfassung erarbeiten. Damit sollten die Grundlagen für faire und freie Präsidentenwahlen geschaffen werden.
Otunbajewa ist eine ehemalige Mitstreiterin Bakijews, der seit 2005 im Amt ist. Die damalige Wahl hatte er nach einer Welle gewaltsamer Proteste, die zum Sturz seines Vorgängers Askar Akajew führte, mit Demokratieversprechen gewonnen. Otunbajewa sagte, dass Präsident Kurmanbek Bakijew zurücktreten müsse.
Dieser hält an seinem Machtanspruch fest. Er werde trotz seiner Flucht aus der Hauptstadt Bischkek nicht von seinem Amt zurücktreten, erklärte Bakijew auf dem Internet-Nachrichtenportal 24.kg.
Bei Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten waren zuvor dem Gesundheitsministerium zufolge 68 Menschen getötet und mehr als 520 verletzt worden. Russland, die USA und Deutschland riefen alle Beteiligten zur Mäßigung auf.
Plünderungen
Der Innsenminister der Übergangsregierung,Bolot Sherniyazov, hat am Donnerstag die Polizei angewiesen, auf Plünderer zu schießen. Augenzeugen berichten von mehreren großen Gruppen bewaffneter Plünderer im Zentrum der Hauptstadt Bischkek.
Hintergrund
Kirgistan ist für den Westen von großem strategischen Interesse. Die USA haben dort einen Militärstützpunkt, um den Nachschub nach Afghanistan zu sichern. Auch Westeuropa ist an einem politisch stabilen Kirgistan interessiert. Das Land liegt nördlich von Iran und Afghanistan und soll ein Bollwerk gegen islamische Extremisten bilden. Auch Russland hat eine Militärbasis im Land. Deren Ministerpräsident Wladimir Putin hatte jüngst bei der Ausweitung des Konflikts die Kontrahenten in Kirgistan zur Zurückhaltung ermahnt. Deutschland unterhält als einziger EU-Staat eine Botschaft in Kirgistan.
Kritik an Bakijew
Augenzeugen zufolge ist Bakijew in die Stadt Osch im Süden des Landes geflogen. Die Regierungsgegner in der weitgehend verarmten Ex-Sowjetrepublik werfen ihm Vetternwirtschaft, ein harsches Vorgehen gegen Kritiker und Einschränkung der Meinungsfreiheit vor. Zudem ist die Bevölkerung verärgert über steigende Preise. Rund ein Drittel der 5,3 Millionen Kirgisen leben unterhalb der Armutsgrenze. Auch im Westen war der zunehmend autokratische Führungsstil Bakijews mit Sorge gesehen worden.
Kasachstan ließ seine Grenzen zu Kirgistan schließen. (APA / Reuters / Online-Quellen)