Zum Hauptinhalt springen

Klage gegen Coca-Cola-Konzern

Von Dario Azzellini

Politik

Berlin - Kolumbiens Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal verlor während der vergangenen acht Jahre sieben ihrer in verschiedenen Coca-Cola-Werken aktiven Gewerkschaftsführer. Sie wurden von paramilitärischen Todesschwadronen entführt, gefoltert und ermordet. Im Vorjahr reichte Sinaltrainal in den USA eine Klage gegen den Konzern ein.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In keinem Land der Welt sterben so viele Gewerkschafter eines gewaltsamen Todes wie in Kolumbien. 165 waren es im Vorjahr, Tausende im Laufe des letzten Jahrzehnts. Auffällig ist dabei die Zunahme der Morde während Arbeitskämpfen und Betriebskonflikten. Viele Unternehmen finanzieren die rechtsextremen Paramilitärs, die den Betriebsfrieden mit Waffen durchsetzen. Ihr Chef Carlos Castaño bekennt unumwunden: "Wir töten Gewerkschafter, weil sie die Leute vom Arbeiten abhalten."

"In einer Abfüllerei von Coca-Cola in der Region Urabá, die formal dem US-Unternehmer Richard Kirby gehört, marschierten die Paramilitärs vor einigen Jahren einfach auf das Betriebsgelände", berichtet Luis Javier Correa, Präsident der Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal. "Sie versammelten alle Arbeiter auf dem Hof, ließen sich eine Liste mit allen gewerkschaftlich organisierten Arbeitern ausdrucken und zwangen sie unter Morddrohungen, ihren Austritt aus der Gewerkschaft zu unterschreiben. Anschließend übergaben sie die Liste wieder der Werksleitung und zündeten das Gewerkschaftsgebäude an. Seitdem gibt es dort keine Gewerkschaft mehr."

Von der Regierung ist keine Hilfe zu erwarten. Schlimmer noch, berichtet Luis Javier Correa weiter: "Als Coca-Cola einmal fünf Gewerkschaftsführer des Terrorismus anklagte, wurden sie anderthalb Jahre lang inhaftiert. Nachher bekamen sie keine Entschädigung, und es wurde auch nicht erklärt, warum sie überhaupt 18 Monate lang festgehalten wurden." Gewerkschaftsaktivisten unter dem Vorwurf des Terrorismus zu inhaftieren, ist in Kolumbien gängige Praxis.

Rationalisieren mit Mord

Die Gewalt dient der Durchsetzung von Unternehmensinteressen: Arbeiteten 1990 noch etwa 10.000 Arbeiter mit unbefristeten Verträgen und Durchschnittseinkommen von 600 bis 700 US-Dollar in den verschiedenen Coca-Cola-Niederlassungen in Kolumbien, so haben heute nur noch etwa 2.500 Arbeiter feste Verträge, weitere 7.500 sind meist über Subunternehmer und mit Zeitverträgen beschäftigt - bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von nur noch etwa 150 US-Dollar. Dazu musste die Gewerkschaftsbewegung zerschlagen werden, die diese Bedingungen erkämpft hatte und sich gegen die Umstrukturierung wehrte.

Neben sieben Morden mussten über 50 Gewerkschafter ihre Region verlassen, und über 6.000 der insgesamt 10.000 Beschäftigten wurden während des vergangenen Jahrzehnts ausgetauscht. Die Mitglieder von Sinaltrainal bei Coca-Cola sanken von ehemals 2.500 auf 500. Doch auch den konzernintern gegründeten neuen Mini-Gewerkschaften, die im Sinne von Coca-Cola handeln sollen, ergeht es nicht gut, sobald sie zu viel fordern. Im Vorjahr wurden zwei Funktionäre der unternehmertreuen Kleinstgewerkschaft Sinaltrainbec von Paramilitärs ermordet.

Zivilklage in den USA

2001 reichte die Gewerkschaft Sinaltrainal in den USA eine Zivilklage gegen den Konzern ein. Die Klage wurde zugelassen und befindet sich in der Phase der Beweisaufnahme. Sinaltrainal will die Verantwortung des Konzerns für die Übergriffe und Morde an Gewerkschaftern feststellen lassen, eine moralische und ökonomische Entschädigung für die Opfer erstreiten und auf die Situation der Gewerkschaften in Kolumbien hinweisen. Unterstützt werden sie dabei von dem 20 Millionen Mitglieder starken US-amerikanischen Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO, den Transportarbeitern der Teamsters, der Metallarbeitergewerkschaft, der internationalen Union der Lebensmittelarbeitergewerkschaften (IUL). Gemeinsam mit ihnen und dem kanadischen Gewerkschaftsdachverband WCA, vielen schwarzen Gemeinden, protestantischen Kirchen und zahlreichen weiteren Organisationen soll am 22. Juli in Atlanta, Georgia, dem Konzernsitz, ein Tribunal gegen Coca-Cola organisiert werden.

Verhaltenskodex für Coke

Weitere sollen am 10. Oktober in Brüssel und am 5. Dezember in Bogotá folgen. Coca-Cola soll mit dieser globalen Kampagne gezwungen werden, einen Verhaltenskodex zu unterschreiben, der derartige Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen ausschließt.

Coca-Cola indes streitet jede Verantwortung und Verwicklung in die Geschehnisse ab und hat eine Klage wegen Verleumdung gegen die Gewerkschaft eingereicht. Doch auch auf anderen Ebenen wird Druck ausgeübt, erzählt Luis Javier Correa: "Wir bekommen ständig Besuch von Vertretern des US-Außenministeriums und der US-Botschaft in Kolumbien, die uns sagen, wir sollten uns doch noch einmal überlegen, die Klage zurückzuziehen, Coca-Cola sei doch ein gutes Unternehmen." Die Paramilitärs ließen ehemalige Coca-Cola-Arbeiter wissen, dass sie bereits auf einer Todesliste stehen.