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Klage über lahmes Gesundheitssystem in Österreich

Von Kart Ettinger

Politik

Laut Experten kämen mehr Geschwindigkeit und Personal bei den Tests und Organisationen billiger als spätere Wirtschaftshilfe.


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Vizekanzler Grünen-Chef Werner Kogler ist den Gesundheitsverantwortlichen der Stadt Wien bei einer Veranstaltung gerade wegen der schleppenden Tests auf die Zehen gestiegen. Viele Wiener, Lehrer, Eltern sind genervt, weil bei Untersuchungen von Corona-Verdachtsfällen in Schulen drei Wochen nach Schulbeginn immer noch nichts weitergeht, auch wenn Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) das anders sieht.

Einer, der als Leiter der Pflegeheime der Gruppe Haus der Barmherzigkeit in den vergangenen Monaten viel Einblick gewonnen hat, legt genau in diesem Bereich die Finger auf die offene Wunde. Er gebe schon zu, dass Österreich im Umgang mit der Corona-Krise im Vergleich mit anderen Ländern gut gefahren sei, räumt Christoph Gisinger ein. Dennoch kritisiert er unmissverständlich: "Vom Gesundheitssystem wird viel zu wenig auf Geschwindigkeit Wert gelegt."

"Mikado-Spiele" zwischen Bund und Ländern

Anlass für diesen ernüchternden Befund ein halbes Jahr nach dem Corona-Lockdown war eine via Video übertragene Diskussion der "Denkwerkstatt St. Lambrecht" in Wien, bei der Gisinger Hausherr war. Seine Hauptkritik richtete sich einerseits gegen die Mentalität, dass sich Gesundheitsbehörden als Amt verstehen. "Wenn die Behörden nicht dazu imstande sind, muss ich das auslagern", forderte der Pflegeexperte. Andererseits zeigten sich bei der Corona-Krise die Nachteile der Zersplitterung des Gesundheitswesens, bei dem in Österreich den Bundesländern viele Kompetenzen eingeräumt sind. Diese innerstaatliche Struktur mache vieles schwerfällig. So sei beispielsweise die Diskussion, wer welche Corona-Tests zahle, schrecklich: "Das sind so Mikado-Spiele."

Ohne die Stadt Wien explizit zu nennen, herrscht auch bei Gisinger Unverständnis darüber, warum nicht früher mehr Personal für die Verfolgung von Kontakten nach Corona-Fällen eingestellt worden ist. Das sei "immer noch billiger" als die nachträglichen wirtschaftlichen Folgen von Corona-Einschränkungen. Verbesserungen erhofft er sich durch Fortschritte, die zu schnelleren Ergebnissen führen: "Gott sei Dank gibt‘s die neuen Anti-Gen-Tests."

1500 Menschen leben in den Pflegeheimen, die er leitet. Sechs davon - über 80-Jährige - seien nach Corona-Erkrankungen verstorben. Das sieht er als Nachweis, dass die Schutzmaßnahmen für Bewohner und 1800 Mitarbeiter gut funktioniert haben.

Der Pathologe Lukas Kenner warnte vor zu großer Euphorie bei dem für das erste Halbjahr 2021 in Aussicht gestellten Corona-Impfstoff: "Eine Erwartungshaltung zu erzeugen, ist nicht ganz ungefährlich." Er fürchtet da auch um den Ruf der Wissenschaft bei der Bevölkerung: "Was sagt man den Leuten dann?" Generell riet er, sich auf Pandemien besser vorzureiten. Das könne aufgrund des Klimawandels notwendig sein, mit dem sich etwa gefährliche Insekten als Krankheitsüberträger in anderen Gebieten verbreiten.

Ökonom erwartet Aufschwung schon ab 2021

Ökonom Bernhard Felderer, ehemaliger Leiter des Fiskalsrats, bescheinigte: "Österreich ist sehr gut durch die Krise gekommen." Zwar würden "die Staatsschulden einen kräftigen Sprung nach oben" machen. Er rechne aber ähnlich wie in Deutschland damit, dass es 2021 schon beginnend mit dem heurigen Herbst wirtschaftlich aufwärts gehe.