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Klagsdrohung und andere Ratlosigkeiten

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Schon gegen die zunächst vorübergehend geplante Stilllegung hat der Energieriese RWE Klage eingereicht, und auch gegen den nun erfolgten Regierungsbeschluss behalte man sich "alle rechtlichen Schritte vor", hieß es am Montag seitens des Konzerns, der in Deutschland fünf Atomkraftwerke und ein weiteres in Kooperation betreibt. Dabei hatte auch RWE einst die Vereinbarung unterschrieben, in der Rot-Grün die Gesamtlaufzeit eines AKWs auf 32 Jahre begrenzen wollte - genau so viel, wie jetzt auch Schwarz-Gelb anstrebt.


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In Schweden ist man gleichfalls skeptisch - dem staatlichen Energiekonzern Vattenfall gehören zwei bereits stillgelegte deutsche Kernkraftwerke. Frankreichs Atomkonzern Areva kann es ebenfalls nicht so recht glauben - bis 2020 könne noch viel passieren, meint man dort. Franzosen und Briten halten das deutsche Ausstiegsszenario ohnehin für ein Resultat der Hysterie. In Europa überwiegen weiterhin die AKW-Befürworter. Deswegen ist auch der von Luxemburg unterstützte Vorstoß Österreichs, das Euratom-Forschungsprogramm zu reformieren, von wenig Erfolgsaussichten begleitet. Der Beschluss über das künftige Euratom-Budget wird wegen der Differenzen unter den EU-Staaten auf Herbst verschoben.

Einige Bedenken, die die EU-Kommission - freilich nur höchst inoffiziell - zum deutschen Atomausstieg äußerst, sind allerdings auch abseits ideologischer Fronten durchaus ernst zu nehmen - etwa, wenn es um die Einhaltung der verbindlich vereinbarten Klimaschutzziele geht. Immerhin stieg der Kohlendioxidausstoß im vergangenen Jahr laut jüngsten Zahl der Internationalen Energieagentur um weltweit 1,6 Gigatonnen auf 30,6 Gigatonnen an - trotz Atomkraft der höchste Anstieg seit Beginn der Messungen.

Es kristallisiert sich ein absurd anmutender Gegensatz zwischen Umwelt- und Klimaschutz heraus. Denn wenn Wind und Sonne nicht verfügbar sind, braucht es weiterhin fossile Energiequellen. Die Sicherung der Grundlast soll in Deutschland nicht so sehr die umweltschädliche Kohle besorgen, versicherte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, als vielmehr Gas, neue Kraftwerke müssen allerdings zum Teil erst gebaut werden. Deren Betrieb kommt allerdings wiederum teurer als der von Kohlekraftwerken. Und außerdem wird damit die Abhängigkeit vom ausländischen, namentlich russischen Gas aufrecht erhalten. Zumindest, solange in Europa nicht das sogenannte "Schiefergas" in größerem Umfang gefördert wird, bei dem aus Gestein mittels aufwendiger Technik Gas gewonnen wird.

Weil dabei aber giftige chemische Stoffe zum Einsatz kommen, sehen Umweltschützer diese Gasgewinnung mit Skepsis. Bisher ebenso umstritten war der Bau von Starkstromleitungen, sogenannten Stromautobahnen. Diese würden in Deutschland nun notwendig, weil die Windparks meist an der Nordsee stehen und die existierenden Leitungen für den Stromtransport in den Süden zu schwach sind. Mag sein, dass auch bei ökologisch Orientierten dies nun als kleineres Übel gegenüber Atomkraft mehr Akzeptanz findet.

Der effektivste Ansatz wäre es vermutlich, endlich den Kreislauf von steigendem Wachstum und wachsendem Stromverbrauch zu durchbrechen. Laut einem EU-Entwurf sollen die Energiekonzerne unter Androhung von Strafen dazu aufgefordert werden, für das Energiesparen zu werben. Das ist freilich ein wenig so, meint ein Insider, als wolle man einen Wirten, der Schnitzel verkauft, zur Werbung für eine Diät verdonnern.