Seine Partei Top 09 zahlt laut früherem Außenminister Preis für Reformen.
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Mit 75 Jahren steht Karel Schwarzenberg mit seiner konservativen Partei Top 09 noch immer mitten im politischen Geschäft. Doch für die Wahl in einer Woche sieht es nicht gut aus - der Zuspruch für Top 09 ist laut Umfragen von 16,7 Prozent bei der letzten Wahl 2010 auf etwa 12 Prozent gesunken. Die ODS, die die Mitte-Rechts-Regierung - an der auch Top 09 beteiligt war - angeführt hat, droht gar von 20,2 Prozent in den einstelligen Bereich abzustürzen. Favoriten für die Wahl sind die Sozialdemokraten. Und die neu gegründete Partei ANO des Milliardärs Andrej Babis, die populistische Züge trägt, könnte gar an zweiter Stelle landen.
Es sind vorgezogene Wahlen. Die Regierung hatte wegen einer Affäre rund um die Büroleiterin von ODS-Premier Petr Necas und Korruptionsvorwürfen zurücktreten müssen: Jana Nagyova (die Necas mittlerweile geheiratet hat) soll die damalige Frau des Premiers vom Militärgeheimdienst abhören haben lassen. Zudem soll Necas drei widerspenstigen Abgeordneten lukrative Staatsposten angeboten haben. Nach dem Sturz des Premiers wollten die Rechtsparteien mit verändertem Personal erneut die Regierung stellen. Dagegen stellte sich aber Präsident Milos Zeman, der ein ihm nahestehendes Expertenkabinett einsetzte. Seitdem wirft Schwarzenberg dem Staatsoberhaupt vor, Tschechien von einer parlamentarischen zu einer Präsidialdemokratie verwandeln zu wollen. Mit der "Wiener Zeitung" sprach er über die Aussichten seiner Partei bei der Wahl, den Neo-Politiker Babis und seine Kritik an Zeman.
"Wiener Zeitung": Als Sie mit Top 09 vor drei Jahren in die Regierung eintraten, sagten Sie, dass Sie nicht populär werden, aber Reformen durchführen wollen. Jetzt ist die Staatsverschuldung im Vergleich zu Resteuropa sehr niedrig, und die Parteien, die die Regierung stellten, werden wohl verlieren. Haben Sie Ihre Mission erfüllt?Karel Schwarzenberg: Es besteht kein Zweifel, dass der Stimmanteil unserer Partei bei dieser Wahl ordentlich herabsinken wird. So schaut es aus, wenn kein Wunder passiert. Mir war jedoch von Anfang an klar, dass es bei dieser Wahl für uns Verluste setzen wird. Aber manchmal muss man halt gewisse Schritte setzen.
Aber war ein derartiger Sparkurs notwendig? Selbst der Internationale Währungsfonds hat gemeint, dass Tschechien die Staatsfinanzen mäßiger stabilisieren sollte.
Es ist sinnlos, Geld zu verschwenden, solange die gesamte Wirtschaftslage abwärts geht. Unse Einschätzung, wie lange die Wirtschaftskrise dauern wird, war ungefähr richtig. Wir hatten berechnet, dass es im Jahr 2014 langsam wieder bergauf geht. Das ist der Moment, in dem man investieren soll. Jetzt haben wir vorgezogene Wahlen, jetzt kann das die nächste Regierung machen.
Ist nicht auch ein Grund für die prognostizierten Verluste Ihrer Partei und Ihres ehemaligen Koalitionspartners ODS, dass die Regierung keinen glücklichen Eindruck gemacht hat? Es gab viele Streitigkeiten, und am Ende eine Abhöraffäre um Premier Necas.
Das ist richtig. Gott sei Dank hat es die Streitigkeiten nicht bei Top 09 gegeben, die Einigkeit war aber nicht sehr überzeugend, und die ODS zum Schluss auch nicht.
Jetzt hat der Milliardär Andrej Babis mit ANO eine neue Bewegung gegründet, die in den Umfragen immer mehr zulegt. Wie weit sehen Sie diese als Konkurrenz an?
Sie werden uns eine Menge an Stimmen abnehmen, aber sie sind keine Konkurrenz. Denn das ist keine normale Partei, sondern ein gut gelungenes unternehmerisches Projekt. Es besteht kein Zweifel, dass es mit großem Einsatz und Können betrieben wird. Und wenn man viel Geld hat, ist das Leben leichter. Es ist offensichtlich, dass Herr Babis bei der Wahl erfolgreich sein wird. Die Menschen erwarten auch heute noch, dass sie einem Messias begegnen. Aber dieser war bereits vor 2000 Jahren auf Erden.
Sind Sie bereit, erneut in eine Regierungskoalition einzutreten?
Die einzig relevante Partei dafür wären die Sozialdemokraten. Aber denen hat bekanntermaßen Präsident Zeman ein derartiges Bündnis verboten. Angesichts der Tatsache, dass sich der Präsident die Sozialdemokratie siegreich unterwunden hat, gibt es für uns keine Koalitionsmöglichkeiten.
Herr Zeman wird glücklich sein, wenn Sie in der Opposition sind.
Das war seine ehrliche Absicht, die ihm gelungen ist. Er wollte mich auch aus dem Land bekommen. Deswegen machte er mir das großzügige Angebot, dass ich Botschafter in Wien werden kann.
Bei dieser Wahl geht es laut Ihrer Partei um nicht weniger als die parlamentarische Demokratie, die Präsident Zeman angeblich angreift. Ist das nicht übertrieben?
Überhaupt nicht. Wenn Sie die Schritte des Präsidenten und seine Aussagen im Wahlkampf analysieren, wenn Sie betrachten, was diese angebliche Fachmännerregierung nun unternommen hat - nämlich gründliche Säuberungen in den Ministerien -, dann merken Sie, dass das ein ordentliches Langzeitprojekt ist, die Verfassung umzuinterpretieren und jetzt schon eine präsidiale Demokratie einzuführen. Das war schon in den 1930er Jahren so, in einer Wirtschaftskrise ertönt immer der Ruf nach einer starken Hand. Und irgendjemand fühlt sich dann dazu berufen.
Als Ex-Außenminister waren Sie auch immer wieder mit Temelin befasst. Nun überlegt Tschechien einen Ausbau des AKW. Ist das wirklich notwendig?
Es hängt davon ab, wie sich die energiepolitische Situation entwickelt. Wir möchten in Tschechien einen größeren Grad an Selbstversorgung erreichen. Österreich ist hier glücklich, es hat die Donau, es hat den Inn, es hat das Kraftwerk Kaprun, da schaut man beruhigter in die Zukunft. Wenn man selbst genügend Energie hat, kann man andere Länder leicht ermahnen, welche Energiequellen sie benützen sollen.