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Klare Worte

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Die Finanzmärkte sind gerade dabei, die europäische Politik in eine Richtung zu prügeln, die diese gar nicht einschlagen will. Doch es wird immer sichtbarer, dass die Eurozone insgesamt zum Spekulationsobjekt geworden ist. Mit hinunter gezogen werden Aktien weltweit.


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Der Euro auf etwa 1,28 US-Dollar. Der Volatilitätsindex VIX (auf den gehandelt wird, das gibt es tatsächlich) steigt seit Tagen unaufhörlich. "Angstbarometer" nennen die Börsianer diesen US-Index, der Schwankungsbreiten auf Optionsgeschäfte einschätzt.

Spekulation pur.

Während im Nationalrat in Wien das Für und Wider der Griechenland-Hilfe diskutiert wurde, kamen in Athen bei den Protesten drei Menschen ums Leben. Und um den Zynismus auf die Spitze zu treiben, ging derweil draußen auf den Finanzmärkten die Spekulation gegen den Euro munter weiter. Drei Tote, damit lassen sich doch wunderbar Geschäfte machen.. .

Wenn die Euro-Regierungschefs am Freitag noch einen letzten Rest von Selbstachtung haben, können sie eigentlich nur drei Dinge tun: erstens sofort Wetten auf Staatsanleihen verbieten; zweitens eine europäische Ratingagentur gründen; und drittens in den sauren Apfel beißen und aus der Währungsunion eine Wirtschaftsunion machen.

Denn die EU wird - was derzeit zu beobachten ist - vom Rest der Welt als Einheit betrachtet. Und so wie die US-Behörden nicht davor zurückschrecken, sich Goldman Sachs vorzuknöpfen, so müssten sich europäische Behörden jene europäischen Banken vorknöpfen, die lustig gegen Griechenland, Portugal, Spanien spekulieren.

Das Problem: Es gibt so eine Behörde nicht, weil die Finanzminister und Regierungschefs seit mehr als einem Jahr nur diskutieren. Die Finanzminister haben es in Madrid erstmals vorgezeichnet: Europa benötigt eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, die Zeit nationaler Eitelkeiten ist vorbei.

Am Freitag treffen sich die Regierungschefs. Sie sollten danach mehr als Worte finden, wie sie die Kuh wieder in den Stall bringen wollen. Oder, um es mit der offensichtlich aufgewachten deutschen Kanzlerin Angela Merkel auszudrücken: "Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft Europas." Dem ist nichts hinzuzufügen.