Am Ground Zero, wo Al-Kaida-Terroristen vor neuneinhalb Jahren die Twin Towers in Schutt und Asche legten, hielt einer ein Schild hoch: "Obama 1, Osama 0" stand darauf zu lesen. Daraus spricht nicht nur der Jubel über den Tod des bärtigen Islamisten, der den Befehl für den Angriff gab, sondern auch die Freude der traditionell liberal eingestellten New Yorker, dass der Triumph gerade Barack Obama zugefallen war.
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Sogar dessen Vorgänger George W. Bush, der nach den Anschlägen vom 11. September die Jagd nach bin Laden mit dem Feldzug in Afghanistan eröffnet hatte, musste gratulieren. In seine Erklärung packte er gleich den damals ausgerufenen "Kampf gegen den Terror" hinein, der nun weitergehen würde. Dass Bush im Zuge dieses Kampfes den Irak angriff und Saddam Hussein stürzen ließ, hat bei seinen Landsleuten allerdings Kriegsmüdigkeit ausgelöst. Obama hat stets zu den Kritikern des Irak-Krieges gehört und muss jetzt dagegen kämpfen, dass die US-Bevölkerung ihre Soldaten auch aus Afghanistan möglichst schnell abziehen will.
Diese Rufe dürften in der ersten Euphorie über bin Ladens Tod leiser werden. Und ebenso jene Töne der republikanischen Rechten, denen Obama bisher stets verdächtig war. Sie wurden nicht müde, Obama Islamfreundlichkeit vorzuwerfen und wiesen immer wieder auf seinen zweiten Vornamen Hussein hin. Manche Amerikaner halten Obama gar selbst für einen Moslem. Und erst vergangene Woche legte Obama seine vollständige Geburtsurkunde vor, um zu beweisen, dass er tatsächlich auf Hawaii, also auf US-Boden, geboren sei.
Wochenlang hatten die Konservativen dies in Zweifel gezogen - wenn Obama nicht im Land geboren wäre, dürfte er laut Verfassung gar nicht US-Präsident sein. Immerhin 40 Prozent der Anhänger der republikanischen Partei glaubten daran oder hielten es zumindest für möglich.
Immobilienmillionär Donald Trump, der Interesse an der republikanischen Präsidentschaftskandidatur gezeigt hat, wollte von der Verschwörungstheorie, die er selbst mit verbreitet hatte, nicht lassen - man solle auch noch die Echtheit der Geburtsurkunde überprüfen, meinte er. Die hartgesottenen Obama-Feinde dürfte also auch der Tod des US-Staatsfeindes Nummer 1 nicht beeindrucken. Bei allen anderen Bürgern führt aber Osama bin Ladens Tod wohl zu höheren Sympathiewerten für Obama - und gibt so erheblichen Rückenwind für dessen Kampagne für die Präsidentschaftswahl am 6. November 2012.
Bis dahin ist allerdings noch viel Zeit. Von den Republikanern hat es bisher kaum einer gewagt, seine Bereitschaft zur Kandidatur zur Präsidentschaft zu erklären. Stattdessen konzentriert sich die "Grand Old Party" darauf, sich harte Sträuße um die Budgetpolitik mit der Demokratischen Partei liefern. Bisher blockieren die Republikaner die Sanierungspläne Obamas. Der Dauerstreit führt dazu, dass sich zuletzt nur noch 47 Prozent der Befragten mit Obamas Amtsführung zufrieden zeigten. Das katastrophale Haushaltsdefizit von 14 Billionen Dollar wird laut Umfragen die Wahl im kommenden Jahr erheblich beeinflussen.
Und es ist sogar nicht ausgemacht, dass die Zahl der US-Bürger, die ihrem Präsidenten nach dessen Erfolg nun effektive Terrorbekämpfung zutrauen, auf Dauer hoch bleibt. Sollten sich die Befürchtungen bewahrheiten und Al-Kaida noch zu Racheaktionen für bin Ladens Tod fähig sein, könnte aus dem Rückenwind für Obama auch rasch wieder Gegenwind werden.