Nach dem "Non" der Franzosen folgte am Mittwoch ein "Nee" der Niederländer: Beim Volksentscheid am Mittwoch stimmten rund 63 Prozent gegen die EU-Verfassung, wie das Meinungsforschungsinstitut NSS nach Schließung der Wahllokale mitteilte. Mit dem Nein war im Vorfeld gerechnet worden. Die Beteiligung lag bei 50 Prozent.
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Anders als in Frankreich ist die niederländische Referendumsentscheidung nicht für das Parlament bindend. Die großen Parteien haben aber angekündigt, das Ergebnis zu respektieren, wenn die Beteiligung mehr als 30 Prozent erreichen sollte. Premier Balkenende betonte im Vorfeld der Abstimmung, dass ein negativer Ausgang nicht zum Rücktritt seines Kabinetts führen werde. In Frankreich trat Premier Raffarin nach dem gescheiterten EU-Referendum zurück. Es ist das erste Mal, dass die Niederländer über einen EU-Vertrag per Referendum entscheiden.
Bundeskanzler Schüssel sprach sich für eine Verkürzung des Ratifikationsprozesses aus. Der vorgesehene Abschluss des Verfahrens bis November 2006 sei "ein relativ langer Zeitraum. Möglicherweise werden die Dinge blockiert", warnte Schüssel nach einem Treffen mit dem luxemburgischen Ministerpräsidenten und EU-Ratspräsidenten Juncker am Mittwoch in Luxemburg.
Rund 11,6 Millionen Stimmberechtigte waren in den Niederlanden aufgerufen, sich an der ersten Volksabstimmung seit mehr als 200 Jahren zu beteiligen. Bis zuletzt warb Ministerpräsident Jan Peter Balkenende für die EU-Verfassung. Zwar könne er verstehen, dass Brüssel den Menschen "bisweilen weit weg" erscheine, dies sei aber in Wahrheit nicht der Fall. "Die Zukunft der Niederlande liegt in Europa", sagte Balkenende noch am Vorabend der Abstimmung.
Nichts deutete aber am Mittwoch auf einen Meinungsumschwung hin. "Ich habe für Nein gestimmt, weil ich in diese Regierung kein Vertrauen mehr habe", sagte ein 65-jähriger Pensionist nach seiner Stimmabgabe im Zentrum Amsterdams. "Ich weiß, dass der Euro nichts mit der Verfassung zu tun hat, aber ich bin unzufrieden, alles ist seit seiner Einführung teurer geworden", sagt die Besitzerin eines Coffeeshops, in dem legal Haschisch und Marihuana verkauft werden. "Ich werde dagegen stimmen - habe die Schnauze voll von dieser Regierung. Okay, das ist etwas einfach, aber das ist das einzige Protestmittel, das ich besitze," sagte ein anderer Wähler.
Laut den Meinungsumfragen haben - wie auch in Frankreich - die meisten Gründe für ein Nein nichts mit der Verfassung zu tun: Zu den meistgenannten Argumenten zählten die Teuerung nach der Euro-Einführung, wirtschaftliche Probleme seit der EU-Erweiterung, ein möglicher EU-Beitritt der Türkei, Einwanderungsprobleme, die Furcht, die EU könnte in die liberale Politik des Landes hineinregieren sowie schlichtweg Unzufriedenheit mit der eigenen Regierung. Mit ihr sind zurzeit laut Meinungsumfragen nur noch 19 Prozent der Bevölkerung einverstanden.
Dennoch wird allgemein nicht mit einem Rücktritt von Regierungschef Balkenende gerechnet. Anders als in Frankreich hatte das niederländische Parlament die Volksabstimmung gegen den Willen der Regierung durchgesetzt, für das Ja zur Verfassung warben zudem alle größeren Parteien des Landes.
Für die EU-Verfassung selbst dürfte ein zweites Nein dagegen Konsequenzen haben. Vor allem in Dänemark und Großbritannien steht die Zustimmung auf der Kippe, und vieles deutet darauf hin, dass der britische Premierminister Tony Blair schon in der kommenden Woche das für Anfang 2006 geplante Referendum in seinem eigenen Land absagen wird.